Uiui, "mal eben so vom Austauschjahr erzählen" ist ganz schön schwer, denn es gibt einfach so unendlich viele Dinge, die meine Zeit in Kanada zu einem unvergesslich schönen Erlebnis gemacht haben, das ich niemals vergessen werde.
Da ich wirklich lange für meinen Traum gekämpft habe, konnte ich es kaum fassen, dass es endlich los ging. Geweint habe ich nur kurz, also ich mich von meinen Eltern verabschieden musste, aber sobald ich im Flieger war, wich die Traurigkeit sehr großer Vorfreude. Der Flug lief leider furchtbar kompliziert (bin zwei Wochen nach den Terroranschlägen in London, über Heathrow nach Vancouver geflogen), sodass ich, gemeinsam mit einigen anderen ATS, nach ewiger Warterei nach 30 Stunden endlich in Nanaimo, einem kleinen Hafenort auf Vancouver Island ankam. Ich hatte mir zuvor oft ausgemalt, wie das erste Aufeinandertreffen mit meiner Gastfamilie sein würde, doch da wir erst um Mitternacht Ortszeit ankamen, holte mich nur mein Gastpapa ab. Im Auto fehlten mir plötzlich vor lauter Müdigkeit und Erschöpfung jegliche Worte. Das erste was meine Gastmama tat, war mich ganz lange zu umarmen und mich aufzubauen. Damit war direkt das Eis gebrochen!
Ab diesem Tag, haben wir eine Woche lang jeden Tag etwas unternommen, die Gegend erkundet, ich habe alles gezeigt&erklärt bekommen, wir waren einkaufen und schließlich hatte ich meinen Orientation Day. Somit verging die erste Woche quasi direkt im Flug, ohne dass ich auch nur eine Sekunde an Deutschland gedacht habe.
Ich muss sagen, dass ich nebenbei so überwältigt war von Kanadas unglaublichen Schönheit, dass ich mich jeden Tag auf's Neue wie ein kleines Kind über den Blick aus meinem Fenster freute.
Die Sicht auf das Meer, mit den Bergen im Hintergrund und den vielen grünen Wäldern...ich glaube ich habe mich bereits im Landeanflug in die Gegend verliebt. Ich könnte einfach stundenlang vorschwärmen wie sehr ich Vancouver und Vancouver Island liebe und wenn ich so erzähle, merke ich, wie sehr das Fernweh in mir wächst.
In der ersten Schulwoche war ich damit beschäftigt, meine Klassenräume zu finden und mich nicht auf dem riesigen Schulgelände, das ein Schwimmbad, ein Baseball und ein Football Feld enthielt, zu verlaufen.
Zum Glück kannte ich bereits eine Austauschschülerin vom Vorbereitungsseminar in Deutschland und einige andere aus Brasilien, Spanien und Frankreich lernte ich ebenfalls schnell kennen, sodass ich bereits vom ersten Tag an, nicht alleine da stand. Am Anfang tut es unheimlich gut, Leute zu haben, die das Gleiche erleben wie man selbst, man sollte jedoch schauen, dass man auch unter den Deutschen Englisch spricht (was zu meinem Erstaunen echt gut geklappt hat) um sich nicht selbst auszuschließen.
Das Schulsystem in B.C. unterscheidet sich vom deutschen insofern, dass man pro Semester nur 4 Fächer hat. Jedes Fach dauert 1 1/2 Stunden und entspricht also einer Doppelstunde. Da ich keinerlei Vorgaben von meiner deutschen Schule hatte, habe ich mich neben Englisch und French Immersion (dem Französischunterricht für "Fortgeschrittene") auch für Photography und Yearbook entschieden. Letzteres war quasi soetwas wie Journalismus und nebenbei hat man das Jahrbuch der Schule erstellt, wodurch man immer informiert war, was so passiert und bei allen Events dabei war.
Der richtig feste Anschluss zu den Kanadiern hat etwa ein bis zwei Monate gedauert. In den ersten Wochen ist man total interessant und alle wollen sich mit einem verabreden. Das ist extrem cool und man fühlt sich sehr beliebt, allerdings wenden sie sich irgendwann wieder ab und gehen zurück in ihre Cliquen. Die festen Freundschaften dauern etwas und entstehen sowieso nur langsam. Erst nach der Hälfte meiner Zeit dort haben wir auch privat richtig viel unternommen und man schließt einige Personen sehr fest ins Herz. Umso härter ist es, wenn man dann wieder gehen muss und nicht wirklich weiß, wann man wiederkommt.
Ansonsten habe ich tatsächlich viel Zeit mit anderen Austauschschülern (unter anderem auch eine Freundin aus Grönland) verbracht. Dadurch, dass fremde Nationen dabei waren, war man gezwungen Englisch zu reden. Die Kanadier selbst arbeiten hauptsächlich am Wochenende, sodass wenig Zeit für größere Aktionen bleibt, deswegen habe ich die meisten Ausflüge in die Umgebung mit anderen ATS gemacht. Mit den Mädels ging es regelmäßig in die Großstadt Vancouver oder Victoria zum Shoppen, wir waren Skifahren, sind quer durch Vancouver Island gereist, waren beim Eishockey...etc. Vancouver gehört nicht umsonst zu den Städten mit der meisten Lebensqualität. Eine amerikanische Großstadt, gemixt mit einer sehr naturverbundenen Lage...Einfach traumhaft! Victoria ist die Hauptstadt von B.C. und hat ein eher britisches Flair.
Ich habe wirklich viel unternommen, auch wenn die Schule (insbesondere Französisch) manchmal etwas darunter gelitten hat. Aber nachholen musste ich den Stoff in Deutschland so oder so.
Mit meiner Gastmummy habe ich mich fast jeden Abend vorm Kamin unterhalten und von meinem Tag, von meinen Erfahrungen und meinem Leben in Deutschland erzählt, wodurch sich mein Englisch schnell verbessert hat. Während mir anfangs lange Gespräche noch schwer fielen, merkte ich nach zwei bis drei Monaten, wie ich langen Unterhaltungen problemlos folgen konnte und sogar auf Englisch gedacht&geträumt habe. Mein Gastdad hat mir viel über das Land, die Kultur und die Gegend erklärt. Die Beiden sind mir so sehr ans Herz gewachsen, dass sie mir heute noch manchmal schrecklich fehlen. Gastgeschwister hatte ich keine, was allerdings eine sehr interessante Erfahrung war, da ich hier zwei kleinere Geschwister habe. Dafür hatte ich viele Gastcousinen und cousins, die alle nur ein paar Jahre älter waren als ich und mit denen jeder Geburtstag großartig war.
Halloween, Thanksgiving und Weihnachten gehören natürlich zu den absoluten Highlights.
Allerdings habe ich genauso den Alltag geliebt und jeden Augenblick meines Aufenthalts genossen. ich muss gestehen, dass ich kaum eine Minute Heimweh hatte, da ich wusste, dass meine Zeit beschränkt ist.
Ich habe den Traum vom Auslandsjahr tatsächlich leben dürfen.
Umso härter ist mir die Rückkehr nach Deutschland gefallen! Die ersten Monate in der deutschen Heimat waren für mich grausam, da ich mein Kanada mehr vermisst habe als alles andere.
1 1/2 Jahre später bin ich übrigens noch einmal zurückgeflogen und habe meine Familie und meine Freunde dort besucht. Als mein Flieger in Vancouver gelandet ist, war es ein bisschen so, als würde ich nach Hause kommen und es ist großartig zu sehen, wie viele Leute auch nach über einem Jahr, mich wieder herzlich empfangen haben.
Wie ich bereits erzählt habe, ist es vorallem die Mentalität der Kanadier, die mich so fasziniert. Man löst alles mit einer Leichtigkeit, die ich von uns deutschen so nicht kenne. Außerdem sind die Kanadier unheimlich gastfreundlich, offen, tolerant und bodenständig.
Ich liebe dieses Land und werde auch zukünftig immer wieder gerne zurückkommen.
-> Falls es euch interessiert, sind hier meine Liveberichte:
Canada-B.C.-Nanaimo