Schüleraustausch mit Handicap
Trotz körperlicher Einschränkungen ins Ausland gehen
Auslandsjahr – Diabetes – High School – Rollstuhlfahrer – Schuljahr im Ausland – ADHS – Austauschjahr – Allergien – Schüleraustausch – Sehbehinderung
Wer kennt das nicht: Beim Aufschlagen einer Austauschbroschüre lachen dir schön gestylte, sportlich-coole Jugendliche entgegen, die direkt einem High School Musical entsprungen zu sein scheinen. „Das sieht alles so perfekt aus“, mag der ein oder andere von euch beim Durchblättern denken. „In diese Bilderbuchwelt passe ich doch gar nicht rein“, könnte ein weiterer Gedanke sein, wenn man den überschwänglichen Berichten von Ehemaligen lauscht. Dieser Eindruck entsteht möglicherweise gerade dann, wenn man nicht in das Klischeebild „gesund, sportlich, dynamisch“ fällt, z.B. aufgrund einer chronischen Krankheit oder körperlichen Beeinträchtigung. Einige von euch trauen sich daher womöglich erst gar nicht, sich für einen Schulaufenthalt im Ausland zu bewerben. Doch nur Mut! Es gibt durchaus Wege und Möglichkeiten!
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Der erste Schritt
Generell gilt: Bei einem Schüleraustausch handelt es sich um ein Programm für und mit Menschen. Und diese sind im wirklichen Leben selten perfekt. Wer sich näher mit einem Austauschjahr beschäftigt und z.B. mit verschiedenen Ehemaligen spricht, der wird merken: Die meisten sind doch irgendwie ganz „normal“ und jeder hat sowohl gute als auch schlechte Momente im Ausland erlebt. Wichtig im Fall einer chronischen Krankheit oder körperlichen Einschränkung ist allerdings unbedingt, diese von Anfang an ehrlich und offen bei der Austauschorganisation anzusprechen, damit sie gemeinsam mit dir und deinen Eltern mögliche Wege ausloten kann. Nutze den ersten Kontakt z.B. gleich, um dich nach Erfahrungswerten mit ähnlichen Fällen zu erkundigen. Abhängig von der Austauschorganisation wirst du wahrscheinlich völlig unterschiedliche Antworten erhalten. Wichtig ist, dass du auch nach vermeintlich negativem Feedback einfach am Ball bleibst.
Platzierung in einem Programm
Bevor eine Austauschorganisation konkrete Angaben zu Platzierungschancen machen kann, wird sie dich in der Regel zunächst in einem Gespräch persönlich kennen lernen wollen. Darüber hinaus wird üblicherweise ein Arztgutachten erbeten, das bescheinigt, dass du z.B. auch im Ausland mit der Krankheit bzw. Einschränkung eigenverantwortlich umgehen kannst. Anschließend entscheidet die Austauschorganisation, ob du im gewünschten Programm untergebracht werden kannst oder ob z.B. eine andere Programmvariante empfehlenswerter ist. Vorab pauschal einen Platz garantieren kann eine Organisation allerdings normalerweise nicht.
Im großen Maße hängt die Entscheidung zur Aufnahme ins Programm übrigens auch von den Partnern im Gastland ab. Manche Partner (z.B. einheimische Austauschorganisationen, Schulen oder Schulbezirke) sind erfahrungsgemäß offener im Umgang mit bestimmten Krankheiten (wie Allergien, ADHS, Diabetes) oder körperlichen Einschränkungen (wie Gehbehinderung, Seh- oder Hörschwächen). Andere wiederum werden bestimmte Anfragen direkt ablehnen und ggf. auf weitere Programme verweisen. Zum besseren Verständnis solltest du dich zunächst mit den Unterschieden der drei üblichen Programmvarianten im Schüleraustausch vertraut machen, nämlich dem Länderwahlprogramm, dem Regionen- oder Schulbezirkswahlprogramm und dem Schulwahlprogramm.
Welches Gastland kommt in Frage?
Gute Chancen einer Vermittlung mit chronischer Krankheit oder körperlicher Einschränkung bestehen erfahrungsgemäß in Ländern wie Neuseeland, Australien oder Kanada, in denen man die Schule oder den Schulbezirk vorher aussuchen kann. Im besten Fall haben die Mitarbeiter, die dich bei der Bewerbung betreuen, die Schulen bzw. Schulbezirke selbst besucht und/oder pflegen direkten Kontakt zu ihnen. So können sie unmittelbar abklären, welche Schule zu dir passt. Gleichzeitig sind diese Programme allerdings auch mit relativ hohen Kosten verbunden, da Schulgebühren anfallen und die Gastfamilien eine Aufwandsentschädigung erhalten. Bei einem Schuljahr liegen die Kosten je nach Land und Schule zwischen € 14.000 und € 22.000.
Etwas komplizierter könnte sich eine Platzierung in den USA gestalten, wo du normalerweise keinen Einfluss auf die Region oder die Schulwahl hast. Die Vereinigten Staaten stehen bei deutschen Austauschschülern seit vielen Jahren und mit großem Abstand auf Platz eins. Die hohe Nachfrage hat jedoch manchmal zur Folge, dass es für die Partnerorganisationen vor Ort immer schwieriger wird, alle Bewerber/innen an Schulen zu platzieren. Das gilt umso mehr für Bewerber mit weniger guten Schulnoten oder größerem Betreuungsaufwand. Da sich aber andersherum gerade die USA auf die Fahnen schreiben, dass kein Mensch aufgrund seiner Besonderheiten diskriminiert werden darf, sind einige Organisationen durchaus bereit, Bewerber mit gesundheitlichen Einschränkungen ins Programm aufzunehmen. Immer häufiger werden aber auch in den USA die teureren Schulwahlprogramme empfohlen, bei denen – im Gegensatz zum Länderwahlprogramm – Schulgebühren entrichtet werden müssen. Während man für ein Schuljahr im Länderwahlprogramm USA mit Gesamtkosten (inklusive Flug und Versicherungen) zwischen € 8.500 und
€ 12.800 rechnen kann, schlägt ein Schulwahlprogramm schon mal mit € 20.000 zu Buche.
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Go for it!
Wenn es dein Traum ist, im Ausland zur Schule zu gehen und Teil einer Gastfamilie zu werden, solltest du dich nicht von der zum Teil schwierigeren Bewerbungssituation entmutigen lassen. Schließlich gibt es sehr viele positive Erfahrungswerte von Jugendlichen, die auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick nicht ins „normale“ Bewerbungsschema vieler Austauschorganisationen passen. Also, worauf wartest du noch?
Finanzierung und Stipendien
Um die zum Teil erheblichen Kosten für die Zeit im Ausland zu reduzieren, empfiehlt sich die Lektüre der von uns zusammengestellten Informationen zu Stipendien und Finanzierungsmöglichkeiten.
Schüleraustausch und Essstörungen
Anders als oben beschrieben sieht die Lage übrigens im Fall von Essstörungen aus. Bewerber/innen mit akuten Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie werden aus verschieden gelagerten Gründen in der Regel nicht zu den Programmen zugelassen. Ein Schüleraustausch ist nicht selten eine „psychische Ausnahmesituation“, die auch gesunden Jugendlichen viel abverlangen kann. Möglicherweise bricht selbst eine vermeintlich geheilte Krankheit während des Aufenthaltes wieder aus. Besprich daher deine Pläne zunächst mit deinem Arzt – und dann vor allem auch offen mit der von dir gewählten Austauschorganisation.