Policoro, Italia 05/06

Ach ja, @Charlylein: Deine Fragen sind damit alle beantwortet, oder?

In Philosophie und Geschichte verstehe ich kein Wort. Ich langweile mich da zu Tode, weil ich mich einfach nicht auf ein 55 Minuten langen Monolog konzentrieren kann, von dem ich nur einzelne Wörter, aber keinen Sinn verstehe. Naja, ich hoff mal, das wird bald besser.
Sport hatten wir auch schon einmal. Und das sieht so aus: Der Lehrer kommt ins Klassenzimmer, überprüft die Anwesenheit und sagt dann: „Ragazzi, wir gehen jetzt runter und machen einen schönen Spaziergang!“ Dann gehen alle
raus, ein großer Teil an einen bestimmten Platz hinter dem Schulhaus und der Lehrer verschwindet. Manche laufen auch im Schulhaus rum. So nach der Hälfte der Stunde kommt auch der Lehrer mal wieder dazu und setzt sich zu den Schülern hinters Schulhaus. Das ist also der Sportunterricht.
Der Religionsunterricht sieht ähnlich aus, nur dass man nicht hinterm Schulhaus, sondern im Klassenzimmer sitzt oder einfach durchs Schulhaus läuft.Am meisten Spaß macht mir der Deutschunterricht, das ist echt lustig. Mein absolutes Lieblingsfach hier, auch wenn die Lehrerin die meiste Zeit nur italienisch spricht.
Englisch hatte ich erst einmal, aber das war irgendwie lustig. Der Lehrer hat mich erst mal die beiden deutschen Gedichte, die an der Klassenzimmerwand stehen, ins Italienische übersetzen lassen, wahrscheinlich um zu testen, wie gut ich Italienisch kann. Gott sei Dank haben mir alle geholfen. Als er gehört hat, dass ich aus der Nähe von Nürnberg komme, musste ich der Klasse dann die Nürnberger Prozesse erklären, was mir leider nicht ganz gelungen ist, weil mir zu viele Wörter gefehlt haben. Aber hinterher hat er gesagt, ich hätte kaum einen deutschen Akzent (letztes Jahr war schon ein Deutscher in der Klasse, der hatte angeblich einen ziemlich
starken), was mich natürlich gefreut hat und mir den Lehrer natürlich sehr sympathisch macht.
Auch wenn der Unterricht hier, so weit ich das bis jetzt beurteilen kann, nicht unbedingt das Gelbe vom Ei ist, eine Sache finde ich echt super. Einmal in der Woche kommt in den Fremdsprachen ein Muttersprachler in die Klasse. Bis jetzt hatten wir das in Englisch (eine Engländerin) und Französisch (eine Französin). Die reden dann mit der Klasse und machen Wortschatzarbeit. Das macht echt Spaß und ist total klasse, weil man da lernt zu verstehen und sprechen, was uns in Deutschland wirklich fehlt.
Insgesamt ist der Unterricht jedenfalls ganz anders als bei uns. Die Schüler sind irgendwie motivierter und tragen viel zum Unterricht bei, aber nur, indem sie einfach laut rausschreien, was sie sagen wollen. Das heißt, der
Geräuschpegel ist ziemlich hoch und das meiste kommt gar nicht bei den Lehrern an. Außerdem steht immer die Tür offen (was vielleicht daran liegt, dass sie kaputt ist und sich nicht schließen lässt) und ab und zu schaut mal schnell jemand rein, unterhält sich kurz mit dem Lehrer oder ruft einem aus
der Klasse einen kurzen Gruß zu.
Ich hab euch ja schon geschrieben, dass das Schulhaus total hässlich ist. Es ist wirklich übel, aber jetzt, wo die ganzen Schüler drin sind, fällt das schon gar nicht mehr so auf. Als wir das erste Mal drin waren, war ja noch alles leer und da war das wirklich schockierend. Allerdings sehne ich mich
wirklich nach unserem „wunderschönen“ FAG und besonders nach den Toiletten!! Gestern war ich nämlich das erste mal auf dem Schulklo und das ist richtig grauenvoll. Freundlicherweise wurde mir rechtzeitig mitgeteilt, dass ich die
Tür nur anlehnen und nicht zumachen soll, weil sie sonst nicht mehr aufgeht. OK. Ich werde mich auch nie wieder beschweren, wenn es bei uns in der 6. Stunde mal kein Klopapier mehr gibt, hier gibt es nämlich gar keines. Nicht mal eine Haltevorrichtung dafür. Die Hände kann man sich auch nicht waschen, weil die Wasserhähne nicht funktionieren. Ich hätte jedenfalls nie gedacht, dass ich mal unser Schulhaus vermissen würde…
Eine schwierige Sache hier in Italien ist mein Name, den kann nämlich keiner aussprechen. Ich werde also Joanna, Gioanna, Giovanna oder so ähnlich genannt (da gibt es viele Variationen, von Loana bis Jonna usw.). Am ersten Schultag kam eine aus meiner Klasse auf mich zu und nannte mich Josephine (Rosa, die ist ziemlich verrückt und nervt mich ehrlich gesagt). Gestern hat sie zu mir gemeint, am Ende des Jahres hätte ich eine Identitätskrise und wüsste nicht mehr, ob ich Johanna, Anna (das verstehen die Italiener immer
zuerst, wenn ich meinen Namen sage) oder Josephine bin. Naja, ich fürchte, der Name wird mir wohl oder übel erhalten bleiben…

Ach ja, eine Sache darf nicht vergessen werden, denn sie ist wichtiger Bestandteil der Schule: die Handys. JEDER hat ein Handy und legt das auf seinen Tisch und auch die Lehrer legen ihres aufs Pult. Man hat hier nämlich kaum Uhren, sondern nimmt sein Handy dafür. Die Mathelehrerin hat sogar
einmal während des Unterrichts telefoniert!! Langsam nerven mich die Teile…
So, ich glaub, das wars jetzt erst mal. Danke übrigens, dass ihr mir alle so fleißig schreibt!
Ich vermisse Deutschland!!!

Viele liebe Grüße,
Johanna

Da ich aufgefordert wurde, die verschiedenen Kategorien fortzusetzen, mach
ich das jetzt mal.

Was ich hier super finde:
- Die Schüler haben ein gutes Verhältnis zu den Lehrern.
- Ich liebe das Essen hier!
- Ich hab ein neues Kartenspiel entdeckt, das fast noch toller als Scopa
ist. Wir spielen jetzt jedenfalls in jeder freien Minute Burraco (wie auch
immer man das schreibt), das macht so Spaß!
- Das Wetter ist toll, es hat immer noch 30 Grad.
- Alle sind nett zu mir.
- Ich kann früh eine Stunde länger schlafen als in Deutschland.
- Vor kurzem saß ich in der Wohnung und auf einmal kam von außen eine Musik
herein. So eine Klimpermelodie, die sich ziemlich lustig anhört. Ich hab
gefragt, was das ist und mir wurde erklärt, dass das ein Eiswagen ist, der
in der Stadt herumfährt. Wenn man die Melodie hört, kann man sich da ein Eis
kaufen.

Was mich nervt:
- Samstagunterricht!!! Gestern war Freitag, normalerweise bin ich dann immer
schon richtig auf Wochenende eingestellt, das war ich irgendwie hier auch,
aber heute musste ich wieder früh aufstehen und bis zwei in der Schule
sitzen. Oh mann!
- In der Schule gibt es nur eine Pause, und zwar nach drei Stunden zu
jeweils 55 Minuten. Und dann dauert sie nur 10 Minuten und danach muss man
wieder drei Stunden absitzen. Das ist schon ziemlich wenig Pause und man
kann nicht mal zwischen den Stunden aufs Klo gehen ohne dass die Lehrer sich
beschweren.
- Wenn ich mit Leuten in meinem Alter zusammen bin und die sich
untereinander unterhalten, hab ich große Probleme, das zu verstehen. Solange
wir nur zu dritt sind, geht es eigentlich und ich kann mich auch gut an den
Gesprächen beteiligen, aber wenn es mehr sind, krieg ich nichts mit. Das
sitz ich daneben und sag meistens gar nichts.

Lustige Erlebnisse:
- Ein weiterer Besuch beim Zahnarzt: Vorgestern war ich mit Emilia und
Freunden in der Stadt und Imma musste kurz wegen ihrer Zahnspange zum
Zahnarzt. Wir sind mitgegengen und saßen also im Wartezimmer. Und auf einmal
hör ich den Zahnarzt singen und gleichzeitig den Bohrer. Das ist mein voller
ernst, er hat laut Lieder geträllert, während er seinen Patienten behandelt
hat. Sogar die Italienerinnen fanden das leicht befremdlich.
- Fast jeden Tag immer um die gleiche Uhrzeit kommt eine Lehrerin in unser
Klassenzimmer und fragt, ob jemand ein Taschentuch hat, jedesmal mit der
Erklärung, dass es ja nie Klopapier gibt. Und jedesmal bricht die ganze
Klasse in Lachen aus.
- Schon zweimal waren wir jetzt im Einkaufszentrum von Policoro. Da sind
alle stolz drauf, es ist nämlich noch ganz neu und wurde erst vor zwei
Monaten eröffnet. Dahin wird regelmäßig eine Art Familienausflug gemacht,
das letzte Mal war noch eine befreundete Familie dabei. Dann schlendert man
(eigentlich nur die Frauen, die Männer laufen gelangweilt hinterher, bis sie
irgendwann verschwunden sind, und am Schluss findet man sie im
Elekrogeschäft wieder) also durch die Geschäfte (es ist nicht so groß, wie
sich das jetzt vielleicht anhört, ca. 10 Geschäfte und ein großer
Supermarkt), schaut sich alles an, auch wenn man es schon gesehen hat und
kauft fast nichts, höchstens vielleicht eine Sache. Bei Bedarf kauft man
dann am Schluss noch im Supermarkt ein.

Alle liefen im Klassenzimmer herum, unterhielten sich aufgeregt und schrien durch die Gegend. Ich fühlte mich etwas unwohl, weil ich kein Wort verstand und ich in dem Chaos, das für mich völlig ungewohnt war, nicht mehr
durchblickte.
Vielleicht sollte ich aber erst mal meine Klasse beschreiben. Sie besteht auch 19 Mädchen und 2 Jungen. Bis zum letzten Jahr war es sogar nur einer, Renzo, aber er fühlt sich total wohl und versteht sich bestens mit den Mädels. Er wird von allen vergöttert und ist auch wirklich ein total sympatischer Typ, der mit jedem zurechtkommt. Jetzt ist noch ein anderer Junge, Pasquale, dazugekommen, der genau wie ich etwas abseits stand und das ganze leicht skeptisch betrachtete. Wir sind die Klasse 4AL (linguistico), was bei uns der 12. Klasse entspricht, also sind fast alle ein Jahr älter als ich. Meine Schwester ist nämlich frühzeitig eingeschult worden. Am ersten Tag war ich mir noch nicht ganz sicher, was ich von der Klasse halten sollte, aber mittlerweile finde ich sie echt gut. Echt alle sind nett zu mir. Ich sitze in einem Eck mit Emilia, Imma, Federica, Rosanna (die ist so lieb), die ich ja alle schon kannte, und Marika. Allerdings habe ich den schlechtesten Platz von allen erwischt, der ist nämlich vorne in der Mitte. D.h., die Lehrer stehen immer genau vor meinem Tisch, legen ihre Bücher drauf ab und die Lateinlehrerin hat sich sogar schon draufgesetzt, wofür ich mit meinem Stuhl zur Seite rücken musste. Naja, da kann man nix machen. Ich hoffe, dass ich bald etwas mehr mit den Leuten ins Gespräch komme und mich auch etwas von Emilias Freundinnen loslösen kann. Am sympathischsten sind mir Carmela, die sich schon mit mir unterhalten hat, mir immer zulächelt und mich total nett begrüßt, Tania, Marianna, Renzo, Fabrizia, Eugenia und Marika.
Als die Lateinlehrerin mit uns geredet hat, habe ich erst mal einen Schock bekommen, denn wir machen fast nur Grammatik und müssen viele Übungen machen, bei denen wir auch vom Italienischen ins Lateinische übersetzen müssen. HILFE!! Danach hatten wir die Mathe- und Physiklehrerin. Als sie reinkam wurde erst mal wieder geklatscht und gejubelt und sie wurde überschwänglich begrüßt. Dann hab ich erfahren, dass wir 4 Stunden Physik haben, oh mein Gott. Allerdings hatten die noch nie Physik, also sollte ich da keine so großen Probleme haben. Und die Lehrerin ist echt total nett, das finde ich gut. Dann hatten wir unsere Philosophie- und Geschichtelehrerin. Und ich hab gleich etwas erfreuliches erfahren, nämlich dass man im November die Möglichkeit hat, für zwei Tage mit nach Rom zu fahren. Juhuuu! Da werde ich mich natürlich anmelden, ich hatte so gehofft, dass ich irgendwann in dem Jahr mal nach Rom kommen würde. Auch wenn es nur zwei Tage sind, ich freue mich schon total! Dann war der erste Tag auch schon vorbei und ich war total fertig. So viel Geschrei und Aufregung, das hat mich echt angestrengt. Ich ging jedenfalls mit gemischten Gefühlen nach Hause.Mittlerweile gefällt mir das ganze schon besser. Ich habe gemerkt, dass die Leute echt nett sind und ich bin froh, dass ich dem Unterricht, außer in Philosophie und Geschichte gut folgen kann. Bis jetzt hat mir mein Hassfach Physik und Mathe am besten gefallen (das ist mein voller Ernst), ich habe nämlich ALLES verstanden, bin total gut mitgekommen und hab sogar was zum Unterricht beigetragen. OK, ich hab auch schon seit drei Jahren Physik und hier ist es das erste und das in Mathe haben wir auch schon lange gemacht, aber es war trotzdem ein Erfolgserlebnis. Wer weiß, vielleicht werden Mathe und Physik ja noch zu meinen Lieblingsfächern…
Latein ist langweilig wie in Deutschland auch und die Grammatik nervt mich total, aber es hat auch sein Gutes. Wir mussten so eine total blöde Hausaufgabe machen, bei der man lateinische und italienische Sätze übersetzten musste. Aber ich hab sie mit meiner Schwester gemacht und festgestellt, dass ich dabei total gut die italienische Grammatik lerne. Außerdem hab ich gemerkt, dass ich auf keinen Fall schlechter bin oder weniger weiß, auch was die Grammatik angeht und das hat mich etwas beruhigt. Was mir Schwierigkeiten macht, ist, dass die Italiener das Latein eben
Italienisch aussprechen und ich es deshalb schlecht verstehe und mich total umgewöhnen muss.

Also, ich stell mal meine 2. Rundmail hier rein. Es geht hauptsaechlich um die Schule.

Ciao ragazzi!

Ich melde mich mal wieder mit Neuigkeiten aus dem Süden Die Schule hat ja jetzt angefangen und da gibt es
ziemlich viel zu erzählen. Am Montag hatte ich meinen ersten Schultag, das war ein ziemlich interessantes Erlebnis. Es ist jedenfalls auf keinen Fall mit einem ersten Schultag in Deutschland zu vergleichen.
Morgens bin ich also mit Emilia (zu Fuß, weil ich es so wollte) zur Schule gelaufen, dafür brauchen wir etwa 8-10 Minuten. Wir waren total früh dran und es war noch kaum jemand da. Ich war ziemlich gespannt und hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Wir kamen an und trafen gleich Imma und
Federica, die Freundinnen meiner Schwester, die ich ja auch schon kannte. Großen Jubel gab es erst mal, als wir erfuhren, dass unsere Klasse im gleichen Klassenzimmer ist, in dem sie letztes Jahr auch war. Außer uns war nur Fabrizia da, die mir gleich recht sympathisch war. Wir liefen zusammen durchs Schulhaus, was vor dem Unterricht und während der Pause alle machen. Als wir wieder beim Klassenzimmer waren, kamen immer mehr Leute an und es gab ein großes Geschrei mit tausenden Umarmungen und Küssen. Mich hat das ganze leicht überfordert, ich konnte mir die ganzen Namen und Gesichter nicht gleich merken und so ein Aufstand ist für Deutsche ziemlich ungewohnt und anstrengend. Was mich etwas irritiert hat, war, dass wirklich alle Italienerinnen sich wahnsinnig aufstylen, wenn sie in die Schule gehen. Aber Gott sei Dank hab ich schnell gemerkt, dass sie einen auch akzeptieren, wenn man sich nicht Tonnen von Make-up ins Gesicht klatscht, sich jeden Morgen stundenlang frisiert und mich hochhackigen Schuhen in die Schule kommt. Alle haben mich total freundlich behandelt. Die „Schuldienerin“ (davon gibt es mehrere) Angela, eine Art Hilfskraft der Lehrer und Putzfrau, wurde mit großem Hallo begrüßt und alle gaben ihr Begrüßungsküsschen. Sie hat ein gutes Verhältnis zu den Schülerinnen, nennt alle dauernd „amore“ und hilft immer, wenn man etwas braucht. Als alle in der Klasse waren, kam unsere Italienisch- und Lateinlehrerin zur Tür herein. Zu meinem großen Erstaunen brach die ganze Klasse in Grölen und Jubeln aus und dann wurde auch sie von allen mit Küssen begrüßt. Die ersten zwei Stunden machten wir…gar nichts.

Hey charlylein!
Ne, ich konnte mir nicht aussuchen, auf welche Schule ich gehen wollte. Ich hatte einfach Glueck. Und mit den Naturwissenschaften brauchst du dir keine Sorgen machen, die sind hier so was von einfach!!! Ich bin in der 12. Klasse und die machen Sachen, die wir in der 9. und 10. gemacht haben. In Mathe und Physik verstehe ich echt alles, obwohl ich da nicht so gut bin, des is schon sehr motivierend. Probleme hab ich in Philosophie und Geschichte. Am Wochenende werd ich hier einen langen Bericht mit ganz vielen Details ueber die Schule posten, dann erfaehrst du mehr!
Ciao, stammi bene, Giovanna

Danke, dass ihr euch fuer mich freut!
Ja, also ich bin auf einem Liceo Linguistico und gehe in die gleiche Klasse wie meine Schwester. Was ich davon halten soll, weiss ich noch nicht genau. Es ist jedenfalls eine quarta, was bei uns der 12. Klasse entspricht und die sind glaub ich auch nicht weiter als wir. Gestern hatte ich meinen ersten Schultag, aber heute hatte ich frei und morgen gehts erst richtig los, da bin ich schon mal gespannt...
Ciao, Giovanna

Als wir in der Stadt waren, haben wir auch der Schule einen Besuch abgestattet, da sie schon offen war. Und ich bin geschockt. Ich wusste nicht, dass ein Gebäude, das nicht ein Gefängnis oder eine Strafvollzugsanstalt ist, so hässlich sein kann!! Dagegen ist unsere Schule ein richtiges Schmuckstück! Von außen ist sie gar nicht so schlimm, deshalb war ich auch so überrascht. Naja, mal sehen, wie das alles abläuft, am Montag ist ja schon der 1. Schultag. Die Fächer, die ich haben werde sind übrigens Englisch, Deutsch, Französisch, Latein (neeeeiiiiin!!!), Italienisch, Mathe, Physik, Philosophie, Geschichte, Kunstgeschichte, Religion und Sport (mehr fallen mir jetzt nicht ein). Allerdings wurde mir erzählt, dass man in Religion und Sport keinen Unterricht macht sondern dass einfach jeder im Schulhaus herumläuft. Aha.
Das mit den Mails funktioniert übrigens, ich kann euch sicher öfter mal schreiben. Der PC steht allerdings in Nicos Zimmer und der war bis gestern noch hier, da wollte ich nicht so oft in seinem Zimmer rumhängen. Gestern ist er aber nach Bologna gefahren, wo er studiert. Jetzt kann ich aber sicher öfter mal ins Internet. Diese Mail habe ich auf meinem Laptop geschrieben (da gibt es wenigstens eine deutsche Tastatur, auf der italienischen sind viel Buchstaben anders, und natürlich UMLAUTE!!!). Ich freu mich also immer über Mails und natürlich Anrufe (danke Lizzy!! ) und werd versuchen, so oft wie möglich zu antworten!
Ihr fehlt mir!!!
Ciao, Johanna, Joanna, Gioanna, Giovanna, come volete…

Noch mal eine kurze Zusammenfassung:

Was ich hier echt toll finde:
- In Policoro gibt es eine GIGANTISCHE Eisdiele, so eine hab ich selbst in
Italien noch nicht gesehen!!!
- Meine Gastfamilie ist so lieb.
- Das Meer ist einfach toll.
- Meine Gastfamilie spricht so ein tolles Italienisch, genau wie man es in
der Schule lernt. Dialekt sprechen Gott sei Dank nur die älteren Leute (z.B.
nonna Carmela), der ist aber ziemlich schwer zu verstehen.
- Scopa!!! Das ist ein Kartenspiel, das angeblich alle Italiener spielen und
ich liebe es! Am liebsten würde ich das dauernd spielen.
- Dass in Policoro überall Palmen stehen. Das gefällt mir total gut.
-
Was mich nervt:
- Meine Gastfamilie hat keine Zeitung.
- Beim Essen läuft permanent der Fernseher.
- Meine Familie fähr ÜBERALL mit dem Auto hin. Die laufen nie mal
irgendwohin, auch wenn es nicht weit ist.
- Ich dachte ja immer, ich kann viel essen, aber warum mach ich schon nach
dem ersten Gang fast schlapp?? Wie können die so viel essen und trotzdem so
schlank sein?
- Am meisten nervt mich, dass ich hier keinen Rückzugsort habe. Das Bad ist
der einzige Ort, wo ich mal alleine bin. Für mich als Einzelkind ist das
schon ne Umstellung.

Lustige Erlebnisse:
- Ich bin mit Cherubina und Emilia in der Stadt und Emilia fragt mich, wie
man Arschloch und Scheiße auf Deutsch sagt. Ich bringe es ihnen bei und die
beiden üben es. Wir laufen also durch Policoro und sie schreien in einer
Lautstärke Arschloch und Scheiße durch die Gegend. Es hat zwar keiner
verstanden, aber ich kam mir trotzdem etwas komisch vor…
- Wenn Mimmo beim Autofahren diskutiert, nimmt er manchmal beide Hände vom
Steuer und gestikuliert. Das macht mir etwas Sorgen.
- Die Dialoge, wenn ich meiner Familie etwas deutsches beibringe. Das läuft
dann etwa so ab:
C: Come si dice „ancora una volta“ in tedesco (=deutsch)?
Ich: Noch mal.
E: Ah sì, nosche mal.
C: Come? Nock…
Ich: No, noch.
E: Mamma, noche!!!
C: Nock mal.
Ich: Noch mal!
C: Nock, nock.
E: No mamma!! Si dice noche!
Ich: Noch
E: Sì, noche.
C: Nock?
Usw…
- Cherubina war in der letzten Woche sehr beschäftigt. Denn Nico ist gestern
ja nach Bologna gefahren und da gibt es ein Problem: Er kann außer Pasta
nichts kochen. Also muss seine Mutter die ganze Woche lang ganz viel kochen,
was er dann mitnehmen kann. Gestern wurde das alles in Kartons verstaut und
ich war wirklich sehr beeindruckt. Das war so viel, einfach unglaublich!!
Naja, aber der Junge muss ja versorgt sein, bis er in drei Wochen wieder
kommt.
- Besuch beim Zahnarzt: Gestern hatte Emilia einen Termin beim Zahnarzt und
Cherubina und ich kamen mit. Als meine Schwester dran war, gingen wir
beide zu
meinem Erstaunen mit rein. Sie setzte sich auf den Stuhl, wir stellten
uns so hin, dass
wir sie gut sehen konnten und dann musste dem Zahnarzt erst mal meine
Story erzählt
werden. Dann nahm er sein Gerät in die Hand, Bohrer oder was auch
immer das war,
und während er damit vor Emilias Gesicht herumfuchtelte, hielt er
einen Vortrag über
die deutsche Babysitterin seiner Tochter und wie pünktlich, ordentlich
und genau die
Deutschen sind. Als er sich dann Emilia zuwandte dachte ich, jetzt ist
er fertig, aber
weit gefehlt. Er fuhrwerkte damit in ihrem Mund herum und setzte
währenddessen
schreiend seine Unterhaltung fort. Zwischendrin stoppte er kurz,
fuchtelte wieder mit
dem Teil herum und die (aus meiner Sicht) arme Emilia musste sich
sogar am
Gespräch beteiligen. Die Situation war echt lustig, ich musste mir
manchmal richtig
das Lachen verkneifen. Ich habe noch nie eine Person getroffen, die so
viel, so laut
und so lange redet!

Meine Gastfamilie hat mir schon ganz viel von Policoro gezeigt, die Innenstadt, den Corso, wo abends die Hölle los ist, die beiden Parks, das Castello Baronale und ich wurde auch schon bestens über die Geschichte der Stadt aufgeklärt. Ich weiß schon, in welchen Läden man einkauft, wo die Verwandtschaft wohnt, wo Mimmo in die Grundschule gegangen ist, in welcher Kirche meine Gasteltern geheiratet haben usw. Außerdem weiß ich, wo man die sagenhaft guten Panzarotti (Teigtasche mit Tomate und Mozzarellla) kaufen
kann, die sind ja sooo lecker! Außerdem waren wir beim neuen Haus, das sie gerade am Stadtrand von Policoro bauen. Es ist eine Doppelhaushälfte, aber ganz schön groß, es hat nämlich 4 Stockwerke. Angeblich wollen sie bis
Weihnachten dort einziehen, aber ehrlich gesagt bezweifle ich das stark, denn es stehen nur die Mauern und es ist noch nicht mal ein Dach drauf… Naja, chissà.
Meine Gastfamilie ist sehr interessiert in die deutsche Sprache. Ständig werde ich gefragt, was verschiedene Sachen auf Deutsch heißen. Es is echt lustig, wenn die versuchen, das auszusprechen. Cherubina hat ein Heft, in
das sie alles reinschreibt, was sie schon von mir gelernt hat und Emilia auch. Mir macht das sogar ziemlich Spaß, ihnen ein bisschen Deutsch beizubringen, dadurch bekomme ich auch viel von Italienisch mit.
Mit der Sprache klappt es übrigens immer besser, ich hab schon ziemlich viele neue Wörter gelernt und auch im Fernsehen verstehe ich jetzt schon einiges. Außerdem merke ich, dass ich mir manche Sachen angewöhne, zum Beispiel ständig „eh“ statt „sì“ zu sagen und zwar in einem ganz bestimmten Tonfall.
Gestern waren wir mittags in Matera, der Provinzhauptstadt, um meine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Ich dachte schon, oh Gott, jetzt darf ich also auch Bekanntschaft mit der italienischen Bürokratie machen, aber nach einer Stunde Schlange stehen und einer Viertel Stunde irgendwelche Sachen ausfüllen war ich wieder draußen. In einem Monat muss das Ding dann abgeholt werden und jetzt hab ich eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung.
Wir hatten zwar nicht viel Zeit, weil Mimmo zur Arbeit musste, aber trotzdem wurden mir natürlich noch die berühmten Sassi von Matera gezeigt. Das ist die älteste menschliche Siedlung der Welt. Und ich kann euch sagen, es ist der Hammer! Ich war so fasziniert, ich hätte mir das ewig anschauen können. Dort wurde auch die „Passion Christi“ von Mel Gibson gedreht (weil es dort immer noch aussieht wie vor 2000 Jahren), worauf die Italiener irgendwie ziemlich stolz sind. Jedenfalls bekam ich erklärt, wo die Kreuzigung und der Kreuzweg
stattfanden und in welchem Hotel Mel Gibson wohnte. Jedenfalls wird es sich wohl nicht vermeiden lassen, dass ich diesen Film demnächst mal anschaue.
Abends bin ich mit Emilia und ihren Freundinnen Imma, Federica, Rosanna und deren Freund in die Stadt gegangen. Ich muss sagen, zuerst waren mir Imma und Federica, die hierher kamen um uns abzuholen, nicht sehr sympatisch.
Aber es war dann doch schön und mittlerweile mag ich sie ganz gerne. Sie sind alle auch in meiner Klasse.

Beim Mittagessen gab es als Nachspeise Tiramisù (in meinen Unterlagen hatteich mal angegeben, dass ich das gerne mag), auf dem nochmal „Willkommen Johanna“ stand, außerdem hatten sie Deutschland und Italien aus Papier ausgeschnitten und zusammen mit der jeweiligen Landesfahne hineingesteckt. Dann hat mir meine Schwester noch eine Kette geschenkt, ich hab mich so gefreut. Meine Gastgeschenke kamen gut an, besonders die tolle Lebkuchendose und die Haribo-Goldbären.
Der erste Tag war jedenfalls sehr gelungen. Im Gegensatz zur ersten Nacht. Die war schrecklich, weil ich nämlich die Hälfte davon im Bad verbracht habe. Ich hatte mir beim Abendessen ziemlich den Magen verdorben, und zwar nicht nur ich, sondern auch Emilia und Nico. Bin ich froh, dass es hier zwei Bäder gibt! Am nächsten Tag wurde jedenfalls mit sämlichen Leuten ausdiskutiert (mindestens fünf mal), woran das gelegen haben könnte, was alle gegessen haben, was nur wir drei gegessen haben usw. Letztendlich einigten wir uns darauf, dass es wohl die Tomaten waren.
Am Abend wurde mir die Strandpromenade gezeigt und dann sind wir in eine Pizzeria essen gegangen, die mich vom Design an unseren Container und von den Ausmaßen an eine Maschinenhalle erinnerte. Das Essen war allerdings echt gut!! Und wisst ihr, was ich gegessen habe? Pommespizza!! Allen Ernstes, ich hab eine Pizza gegessen, die mit Pommes belegt war. Und sie hat sogar ganz gut geschmeckt! Die letzten Tage sind wir zweimal mittags ans Meer gegangen, das ist ja sooo schön da! Man muss allerdings mit dem Auto ca. 5 Minuten fahren. Aber es ist echt toll. Meine Familie sagt, im September ist es dort nicht mehr so schön, weil so wenige Leute dort sind(ohne die Leute ist das Meer „traurig“), aber
gerade das find ich gut. Im Juli und August muss es dort überlaufen vor Touristen sein…