• aber irgendwie ist der kotzsmilie doof. der kotzt ja gar nicht. der sieht aus wie ein alien mit liebeskummer.
    aber ich glaub ich hab meine drei lieblingssmilie schon gefunden: :gutenmorgen:, :smoker: , :prost: . kaffee, kippen, alk ---> was braucht man mehr?! ein käse-smilie wär gut...aber man kann ja nicht alles haben im leben :D

  • jaah..... ich fänd das auch voll dooooof. ich mein LEUTE wir haben jetzt immerhin nen KOTZESMILIE!!! DEN HABEN WIR UNS DOCH SCHON IMMER GEWÜNSCHT!!! :blerg: :blerg: :blerg:

    Besides the noble art of getting things done, there is a nobler art of leaving things undone. The wisdom of life consists in the elimination of nonessentials.


    save our planet!

  • kann mich lui nur anschliessen. sehr spannenende berichte! scheints ja echt einiges zu erleben da.
    wie läufts eg mit der sprache? konntest du von anfang alles einigermaßen gut verstehen bzw dich auch verständigen, weil du ja schon italienisch kannst? oder sind spanisch und italienisch doch zwei ganz verschiedene dinge? und wie gehts dir allegemein so? gefällts dir da bzw würdest dus nochmal machen?


    und wo seid ihr eig alle hin? bis jetzt sind lui, gio und ich die einzigsten die im neuen forum was geschrieben haben. fänds schade, wenn wir uns jetzt alle "aus den augen" verlieren würden, nur weil das forum umgezogen ist

  • woowwwwww super berichte!!! du schreibst wirklich spannend :) ich beneide dich sooo um die erfahrungen die du machst und habe noch viel mehr respekt vor dir dass du das alles so zu meistern scheinst!

    Besides the noble art of getting things done, there is a nobler art of leaving things undone. The wisdom of life consists in the elimination of nonessentials.


    save our planet!

  • Nach dem Essen ging es für alle außer Judith, Miriam und Anja, die noch eine Nacht blieben, wieder zurück zum Busterminal. Man muss sich das so vorstellen, man kommt in die Halle hinein und es ist ein riesiges Geschrei, weil jedes Busunternehmen seine eigenen Anwerber hat. Gleich am Eingang verkündete uns eine Frau, nach „Cochabambaaa, Cochabaaaaambaaaaaaaa!“ koste es nur 20 Bol (auf der Hinfahrt hatten wir 30 gezahlt) und wir gingen also mit ihr mit zu dem Schalter ihrer Agentur (bzw. wurden unter wachsamen Blicken von ihr dort hingeschleift). Sie redete pausenlos auf uns ein und wir wollten uns gerade in die Liste eintragen, als ein anderer Mann kam und meinte, bei ihm koste es nur 15 Bol nach Cochabamba. Davon war die Frau natürlich gar nicht begeistert und redete auf uns ein, in dem anderen Bus gebe es keine Heizung und es sei bestimmt kein Semi-Cama (Halb-Bett), sondern nur ein normaler Bus, was der andere stets verneinte. Wenn Blicke töten könnten, wäre der Mann wohl auf der Stelle tot umgefallen. Es fehlte nur noch, dass die beiden eine Prügelei anfingen, so weit kam es dann allerdings doch nicht. Wir hatten auf jeden Fall jede Menge Spaß in der Situation und fuhren letztlich doch mit dem Unternehmen der Frau, da es uns irgendwie vertrauenserweckender erschien. Der Bus war schon ein etwas älteres Modell als der von unserer Hinfahrt, aber dafür blieben wir vom Panflötengedudel verschont und hätte ich nicht die ganze Nacht Magenkrämpfe gehabt und kein Auge zugetan, wäre es sicher eine ganz angenehme Fahrt gewesen. Um 6.30 Uhr morgens kamen wir also in Cochabamba an, was uns natürlich nicht davon abhielt, pünktlich um 9 Uhr zur Arbeit zu erscheinen. Den langen Arbeitstag durchzuhalten war nicht leicht, aber für das tolle Wochenende hat es sich auf jeden Fall gelohnt.



    Und wenn ich gerade schon beim Reisen bin, kann ich auch gleich auf mein nächstes Thema zu sprechen kommen: Mein bevorstehender Urlaub. Am Samstag nacht geht es los und ich mache mich mit Judith, Philipp und Johannes auf den Weg Richtung Peru. Zuerst wollen wir Station am Titicaca-See machen und dann nach Cuzco, der Hauptstadt des Inka-Reiches, und Macchu Picchu weiterreisen. Ich freue mich schon sehr darauf, auch wenn es wohl nicht gerade erholsam sein wird. Dafür werden wir bestimmt viel schönes erleben und ich habe danach bestimmt viel neues zu erzählen.



    Bis es aber los geht, haben wir noch einiges vor uns. Freitag und Samstag findet nämlich eine große Ausstellung statt, an der mehrere Einrichtungen für Straßenkinder beteiligt sind. Wir stellen dort die Fundación mit ihren einzelnen Projekten vor, außerdem werden die Bilder ausgestellt, die in unserem Fotografie-Workshop mit einer Gruppe Straßenjungs entstanden sind. Diesen Workshop gibt es seit etwa zwei Monaten und es ist wirklich toll, die Ergebnisse zu sehen, weil einige sehr ausdrucksstarke Bilder dabei sind. Die anderen Institutionen stellen sich natürlich auch vor und es soll eine große Diskussionsrunde zum Thema Leben auf der Straße geben. Samstag Abend findet dann die Abschlussfeier statt, bei der einige der Prevención-Kinder ein Theaterstück vorführen, darauf bin ich schon mal sehr gespannt. Die Vorbereitungen laufen jedenfalls schon seit Tagen auf Hochtouren. Ich habe z.B. die Vorstellung von Fenix übernommen und eine riesige Fotocollage dazu gestaltet. Morgen und übermorgen werden wir dann natürlich von früh bis spät dort arbeiten und ich frage mich gerade noch, wann ich denn Zeit zum Packen finden werde, da wir ja gleich nach der Abschlussveranstaltung losfahren. Aber das wird schon noch irgendwie klappen.



    Im Laufe der Vorbereitungen für die Ausstellung habe ich übrigens mal wieder mit einem meiner Meinung nach unangenehmen Wesenszug der Bolivianer Bekanntschaft machen müssen. Ich habe mich ja schon dran gewöhnt, dass Bolivianer einem aus Höflichkeit lieber falsche Auskünfte geben, wenn man nach dem Weg fragt, als zuzugeben, sie wüssten keine Antwort (Was natürlich nicht heißt, dass sie immer sehr höflich wären. Man wird durchaus auch mal richtig unfreundlich in die falsche Richtung geschickt…). Letzte Woche war ich mit Judith unterwegs um Plakate für die Ausstellung zu verteilen. Wir fragten in Restaurants, Geschäften, Bars usw. Zuerst waren wir ja sehr skeptisch, ob die Leute wirklich Plakate zum Thema Straßenkinder aufhängen würden. Umso mehr waren wir positiv überrascht, wie freundlich alle zu uns waren und dass uns alle bereitwillig die Plakate an Wänden und Türen aufhängen ließen und es teilweise sogar selbst für uns machten. Als ich am nächsten Tag mit dem Bus durch eben diese Straße fuhr, traute ich meinen Augen nicht. Alle unsere Plakate waren weg! Anstatt uns also zu sagen, wir dürften die Plakate nicht aufhängen, geben sich alle ganz hilfsbereit, schon mit dem Hintergedanken, sie könnten die Plakate hinterher ja einfach wieder abhängen. Ich habe mich so richtig über diese scheinheilige Hilfsbereitschaft geärgert. Da ist mir doch ein klares Nein eindeutig lieber.



    Ich hätte natürlich noch viel mehr zu erzählen, aber jetzt muss ich langsam mal zum Ende kommen, da ich ja noch einiges zu tun habe. Alle weiteren Neuigkeiten gibt es dann, wenn ich von meinem Urlaub wieder zurückkomme.


    Viele Grüße an alle von eurer


    Señorita Gringhita, Señorita Anita (viele Kinder haben immer noch nicht kapiert, dass ich Johanna und nicht Anna heißte, da yo hier nun mal „ich“ heißt und bei Johanna alle „Ich Anna“ verstehen) oder einfach Johanna

  • Cochabamba, 23.10.08



    Bevor ich jetzt für zehn Tage nach Peru verschwinde (mehr dazu später), muss ich doch noch einmal einen Bericht schreiben, sonst weiß ich hinterher wahrscheinlich gar nicht mehr, wo ich anfangen soll.



    Zuerst einmal muss ich von einem traurigen Ereignis berichten, das hier die letzten Tage bestimmt hat. Brayan, eines unserer Kinder aus dem Kindergarten, ist leider gestorben. Am Samstag nachmittag hat er bei sich zu Hause mit einem metallischen Gegenstand in die Steckdose gefasst und war sofort tot. Er war gerade mal 17 Monate alt. Am Sonntag fand die Beerdigung statt, wohl das schlimmste, was ich je erlebt habe. Für die Eltern (die Mutter Marcela ist beim Restaurant-Projekt dabei) war das natürlich ein schwerer Schlag und auch den 9-jährigen Bruder hat es sehr mitgenommen. Die beiden jüngeren Geschwister haben noch nicht ganz verstanden, was passiert ist, und sind ziemlich unbekümmert. Wir haben uns alle große Sorgen gemacht, dass Marcela und ihr Mann jetzt wieder auf die Straße abrutschen, zumal es einen schlimmen Streit zwischen den beiden gab. Umso erleichterter waren wir, dass sie gleich am Dienstag beide wieder ins Projekt kamen und sich nach einem Gespräch mit unseren beiden Psychologen versöhnten. Sie scheinen also einigermaßen darüber hinwegzukommen. Trotzdem denken natürlich alle noch an den kleinen Brayan und im Kindergarten fehlt eindeutig jemand. Er war gerade dabei laufen zu lernen und ist immer schwankend durch den Hof getappt. Ich weiß noch genau, wie ich am Anfang meiner Zeit hier dachte, dass ich ihn wohl irgendwann herumrennen sehen würde wie die anderen Kinder. Daraus ist leider nichts geworden. Die Betroffenheit war natürlich sehr groß in der Fundación und ich fand es sehr schön, wie sich alle hinter die Eltern gestellt und Anteil genommen haben. Außerdem hat die Fundación ihm ein würdiges Begräbnis ermöglicht, was die Eltern sich auf keinen Fall hätten leisten können. Wir werden Brayan bestimmt nicht vergessen.



    Es ist schwer, nach so einem Vorfall zur Tagesordnung überzugehen. Doch wir haben es auf jeden Fall ganz gut geschafft in Fenix und deshalb werde auch ich jetzt von meinem vorletzten Wochenende erzählen, was als eigentlicher Einstieg für diesen Bericht geplant war.


    Ich bin nämlich mit sechs anderen Deutschen (Anni, Marta, Judith, Elisabeth und zwei deutschen Zivis namens Johannes und Philipp) nach La Paz gefahren. Es war ein toller Ausflug, auch wenn er sehr anstrengend war, denn wir fuhren Freitag nacht nach der Arbeit los und kamen erst Montag morgens wieder an. Schon allein die Hinfahrt war eine Tortur. Mir war schon klar, dass es keine erholsame Fahrt werden würde, da ich in Bussen grundsätzlich nicht richtig schlafen kann. Was ich aber nicht wusste: 1. Dass bis drei Uhr nachts unentwegt traditionelle bolivianische Musik über die Lautsprecher laufen würde (von mir boshaft als „Panflötengedudel“ bezeichnet), 2. Dass es nachts eiskalt werden würde und 3. Dass um fünf Uhr morgens mit einem Schlag das Licht samt Panflötengedudel wieder eingeschalten werden und die Fahrkarten kontrolliert werden würden.


    Bei der Ankunft in La Paz wurden wir allerdings gleich wieder besänftigt, da sich uns dieses sagenhafte Panorama bot, was Anni und ich ja schon auf unserer Anreise erlebt hatten. Um kurz nach sechs Uhr morgens war La Paz noch ziemlich tot und es war nicht so leicht, einen Ort zum Frühstücken zu finden. Nach einem einzigartigen Gourmet-Frühstück (3 Scheiben Toast pro Person, eine Scheibe Butter und ein Klecks Marmelade pro zwei Personen) im einzigen schon geöffneten Lokal steuerten wir unser erstes Ziel an: Tiwanaku. Zwei Stunden fuhren wir in einem voll besetzten Trufi (Art VW-Bus) dorthin. Die Tiwanaku waren eine der Urkulturen Südamerikas und schon sehr weit entwickelt. Die Ausgrabungsstätte in Tiwanaku war wohl mal eine Art Tempelstadt, man weiß es allerdings nicht genau. An der Kasse erwartete uns übrigens gleich die erste unangenehme Überraschung: Die Preisliste. Bolivianische Studenten: 3 Bol, Bolivianer: 10 Bol, Ausländer: 80 Bol. Wir sind es ja gewöhnt höhere Preise zu zahlen als die Einheimischen, aber das fanden wir dann doch sehr unverschämt. Elisabeth hat schon ihr Visum bekommen (eine Art Personalausweis) und bekam damit tatsächlich für 20 Bol ihr Ticket. Wir fingen dann auch an mit dem Verkäufer zu diskutieren, dass wir keine normalen Touristen seien, sondern im Land arbeiteten usw. Er schickte uns zu einem anderen Gebäude, wo wir einen sog. Francisco suchen und ihn fragen sollten. Brav stapften wir dort hin, ein Francisco war allerdings nicht in Sicht. Wir beschlossen also, einfach genauso dreist zu sein wie die Verantwortlichen für die Preise und sagten dem Verkäufer, Francisco wäre einverstanden. Etwas unheimlich wurde es uns dann, als er zum Telefon griff (um Francisco anzurufen?) und lange diskutierte. Schließlich bekamen wir dann alle ein Ticket für 20 Bol. Nicht schlecht. Erst sahen wir uns das Museum mit vielen Ausgrabungen wie Werkzeug, Keramik-Figuren usw. und dem berühmten Ponce-Monolith (der unserer Meinung nach eindeutig zwei frisch gemixte Milchshakes in den Händen hält) an. Dann liefen wir über die Ausgrabungsstätte und besichtigten die Überreste der Tempel, weitere Monolithen und das berühmte Sonnen-Tor. Es war auf jeden Fall ein sehr schöner und interessanter Ausflug und es tat auch mal gut, etwas aus der Stadt herauszukommen (wobei die Ruhe dank des auf dem Museumsgelände stattfindenden Autorennens etwas zu wünschen übrig ließ).


    Am Abend in La Paz suchten wir uns nur noch ein Hostal und fielen todmüde ins Bett. Jawohl, endlich mal wieder ein richtiges Bett! Ich habe die Nacht sehr genossen und hätte das Bett am liebsten mit nach Hause genommen.


    Am nächsten Morgen stießen noch Anja und Miriam, zwei weitere deutsche aus Cochabamba, zu uns und wir machten uns auf den Weg nach El Alto, dem höchstgelegenen und ärmsten Teil von La Paz. Von dort aus hat man die beste Sicht auf die Stadt und wir kamen mal wieder aus dem Staunen nicht heraus. Dann stürzten wir uns schließlich ins Getümmel, den Markt von El Alto. Der ist wirklich riesig und auch sehr billig, allerdings suchten wir vergeblich die Kunsthandwerk-Abteilung, auf die wir uns alle so gefreut hatten. Deshalb gingen wir dann nochmal in der Innenstadt von La Paz auf die Suche, wo sich ein Artesania-Laden an den anderen reiht und kauften richtig ordentlich ein. Auf dem sogenannten Hexenmarkt kann man außerdem an jeder Ecke Heilkräuter, tote Kröten, Katzenkrallen und natürlich unzählige Lama-Embryos kaufen, die man hier beim Bau an allen vier Ecken des Hauses vergraben soll, weil das angeblich Glück bringt. Wir wurden mehrmals dazu angehalten, doch einen der schönen Lama-Embryos zu kaufen, lehnten aber jedesmal dankend ab.


    Gegen Abend besuchten wir dann noch das kleine, aber gemütliche und sehr interessante Coca-Museum und nahmen danach in einem wunderschönen Restaurant ein 3-Gänge-Menü für umgerechnet 2,50 € zu uns. Ich habe das erste mal Lamafleisch probiert und kann sagen, es hat wirklich gut geschmeckt.

  • Ich habe hier übrigens meine patriotische Seite entdeckt, vorgestern habe ich nämlich das erste Mal feierlich den Tag der deutschen Einheit begangen. Das deutsch-bolivianische Kulturinstitut, wo ich zur Zeit einen Spanisch-Kurs mache, hat anlässlich des Feiertages nämlich ein kleines Fest im Garten veranstaltet. Hauptgrund für unser Erscheinen war das angekündigte kalte Buffet mit deutschen Spezialitäten. Unsere Geduld wurde allerdings stark auf die Probe gestellt, da wir ganze zwei Stunden rumsitzen und eine nicht gerade spannende Rede des deutschen Generalkonsuls über uns ergehen lassen mussten. Wir hatten aber trotzdem Spaß, da wir neun deutsche Freiwillige waren und da hat man natürlich jede Menge Gesprächsstoff. Außerdem habe ich mich mit einem Bolivianer unterhalten, dessen zweiter Nachname Schneider ist, weil sein Ururururgroßvater 1860 von Deutschland nach Bolivien gekommen ist. Er hat mir ausführlich seinen gesamten Stammbaum erläutert und ein Bild seines Ururururgroßvaters auf seinem MP3-Player gezeigt, welches angeblich eines der ältesten Fotos Boliviens ist. Naja, irgendwann gab es dann auch das versprochene Buffet, was ganz gut, aber nicht unbedingt überragend war. Aber insgesamt hatten wir einen schönen Abend und saßen noch sehr lange um uns zu unterhalten.
    Zuletzt muss ich natürlich noch vom Event des gestrigen Abends erzählen. Angela fragte uns, ob wir nicht mir ihr auf die Hochzeit ihrer Freundin gehen wollten. Da sagten wir natürlich gerne zu, denn wann hat man schon mal die Gelegenheit eine bolivianische Hochzeit zu erleben. Passende Kleider hatten wir ja. Wir warfen uns also in Schale und machten uns auf den Weg zur Kirche. Ich muss sagen, vom Gottesdienst war ich total enttäuscht. Die Tür stand offen und dauernd gingen Leute aus und ein, ständig klingelten Handys (was den Leuten nicht mal peinlich zu sein schien, manche telefonierten auch kurz), die Musik kam vom Band und der Pfarrer leierte eine vollkommen unpersönliche Rede herunter und hörte sich die ganze Zeit so an, als warte er nur darauf, dass er endlich heimgehen könne. Die meisten sahen und hörten auch nicht mal richtig zu. Nicht zu vergessen, dass der Pfarrer dem Bräutigam erst mal die falsche Seite des Buches aufschlug und er anfing, das falsche Gelöbnis zu rezitieren. Die Feier im Anschluss war allerdings wirklich gigantisch. Sie fand in einem riesigen Saal mit ganz viel runden weiß gedeckten Tischen und weiß verhängten Stühlen mit grauer Schleife statt (dass sich darunter billige Plastikstühle verborgen, tut nichts zur Sache). Selbst die Decke war weiß verhängt. Wir waren fast die ersten, die dort ankamen und konnten beobachten, wie noch schnell die Blumendekoration angebracht wurde. Nach und nach trudelten alle Gäste ein und schließlich das Brautpaar (ich denke, ich muss nicht erwähnen, dass das Brautkleid wirklich bombastisch war), woraufhin dort im Saal die standesamtliche Hochzeit stattfand. Das anschließende Fest fand ich schön, es spielte eine Lifeband und fast alle tanzten, es war also eine gute Stimmung und das Essen war auch gut. Etwas ungewohnt war nur die Servier-Reihenfolge: Erst Whiskey und Rum (pro Tisch riesige Flasche), nach zwei Stunden dann Essen, dann Wein und dann Mineralwasser (nur Whiskey und Rum wurden unbegrenzt nachgeliefert). Es war auf jeden Fall ein interessantes Erlebnis.
    So, jetzt muss ich aber langsam mal ins Internet-Café gehen und meinen Rundbrief abschicken, heute Nachmittag steht nämlich ein kulinarisches Highlight an: Meerschweinchen essen. Ein paar Bolivianer wollen uns zeigen, wo man hier angeblich sehr gute und traditionell zubereitete Meerschweinchen essen kann. Beim nächsten Mal werde ich berichten, ob es mir geschmeckt hat.


    Ich schicke euch allen liebe Grüße aus dem blütenprächtigen cochabambinischen Frühling!
    Eure Johanna


  • Was den Spaß an der Arbeit dort extrem vergrößert, ist ein neues Projekt, an der die ganze Gruppe zweimal wöchentlich teilnimmt. Es handelt sich um ein Zirkus-Projekt namens „Educar es fiesta“ (Erziehung ist ein Fest). Jeden Dienstag und Donnerstag werden die Kinder mit einem bunt bemalten zweistöckigen Holzauto abgeholt und dorthin gebracht. Schon die Fahrt ist immer ein Abenteuer und Vergnügen, da man dort direkt auf dem Dach sitzen kann, hoch oben über der Straße, und natürlich viele neidische Blicke erntet. Ich finde es auch immer höchst interessant, da man dabei sieht, was sich so alles hinter den hohen Mauern der Häuser verbirgt. Im „Zirkus“ nehmen die Kinder dann immer an verschiedenen Kursen in Musik, Theater und Zirkus teil. Sie lernen jonglieren, mit dem Diabolo umzugehen, Lieder zu singen und mit Instrumenten zu begleiten usw. Als wir das erste Mal dort waren, haben die Mitarbeiter eine tolle Zirkus-Show vorgeführt und alle waren sofort begeistert und haben zugestimmt, zweimal die Woche dort teilzunehmen. Ich fand es auch richtig toll und war erfreut zu hören, dass ich selbst auch mitmachen sollte. Es macht großen Spaß und die Kinder sind wirklich dabei, selbst die, denen sonst allen egal ist, wie z.B. Cristian. Ich hoffe, dass es auch so bleibt und sie nicht irgendwann die Lust verlieren, das Projekt geht nämlich noch bis Dezember weiter.


    Im Kindergarten Fenix ist die Arbeit auf jeden Fall schwieriger. Leider haben wir zwei extrem schwer erziehbare Jungs dabei, die auch schon 6 und 7 Jahre alt sind. Ich bin mir mit dem ganzen Kindergarten-Team einig, dass sie eigentlich nicht bei uns bleiben können, aber leider wollen die Eltern (aus dem Restaurant-Projekt) sie nicht in eine andere Einrichtung geben lassen. Es ist also so, dass mindestens eine Person, wenn nicht sogar zwei gleichzeitig, sich immer um die beiden kümmern müssen, da sonst alles aus dem Ruder läuft. Die anderen Kinder sind natürlich die Gestraften bei der Sache, da wir uns nicht richtig um sie kümmern können. Manche von den Mädchen haben sogar richtig Angst vor den beiden. Gott sei Dank soll einer der beiden ab nächster Woche immer nach Prevención gehen (der andere ist nach dem Probetag dort sofort hochkant rausgeflogen). Ich denke, wenn die beiden getrennt sind, wird es auf jeden Fall einfacher. Die anderen Kinder sind da nicht so schwierig, was aber nicht heißen soll, dass sie leicht wären. Alle von ihnen haben ja mal auf der Straße gelebt bzw. tun es immer noch und man merkt bei den meisten, dass sie irgendwie nicht ganz normal sind, so wie ich Kinder aus Deutschland kenne. Es gibt z.B. ein Baby, das die ganze Zeit schreit. Pausenlos. Außer wenn die Mutter da ist oder wenn es schläft. Zwei andere Mädchen reden überhaupt nicht, das eine nicht mal mit den anderen Kindern. Und die eine ist oft komplett fertig und schläft schon am Esstisch ein. Wenn man dann erfährt, dass sich die Eltern die ganze Nacht geprügelt haben, dann weiß man auch warum. Meine Arbeit dort ist also nervlich ziemlich anstrengend und abends bin ich meistens ziemlich kaputt.


    Jetzt sollte ich vielleicht noch von den besonderen Ereignissen der letzten Wochen berichten. Z.B. von der 15. Geburtstagsfeier. Man muss wissen, der 15. Geburtstag der Mädchen wird hier riesig gefeiert und ist wohl der wichtigste Geburtstag überhaupt. Dazu bekommen die Mädchen regelrechte Brautkleider angezogen und auch die Gäste müssen äußerst elegant erscheinen. Vor zwei Wochen wurde im Prevención-Haus der 15. Geburtstag einiger Teilnehmerinnen im Projekt gefeiert. Alle Kinder, auch die kleineren, waren schon richtig aufgeregt und konnten es kaum erwarten, endlich ihre schönen Kleider anzuziehen und tolle Frisuren zu bekommen. Ich habe genau einen Tag davor von dieser Feier erfahren, was etwas problematisch war, da ich hier leider nur Jeans, T-Shirts und Turnschuhe besitze. Am Samstag morgen in aller Frühe trafen Anni und ich uns also mit Alina, einer Mitarbeiterin der Fundación, die uns angemessen ausstatten sollte. Erst war ich entsetzt, als ich die Geschäfte mit den Kleidern sah, die so gar nicht meinem bzw. unserem europäischen Geschmack entsprechen, aber wir fanden dann beide doch je ein annehmbares Exemplar. Zusätzlich noch mit neuen eleganten Schuhen ausgestattet kamen wir dann zu der Feier im Prevencións-Haus. Wir kamen uns etwas fehlplatziert vor mit unseren Kleidern und hohen Schuhen, da sich das Haus in einem sehr armen Viertel ohne geteerte Straßen befindet. Aber alle anderen sahen Gott sei Dank genauso aus. Am Anfang der Feierlichkeit wurden alle Kinder paarweise (natürlich Junge und Mädchen) aufgerufen und stolzierten dann mit ihren schicken Anzügen und Kleidern in den Raum. Das fing an bei den ganz kleinen Vierjährigen und endete bei den 17-Jährigen. Anschließend gab es zwei riesige Sahnetorten und den Rest der Feier wurde getanzt. Die Kinder waren auf jeden Fall begeistert.


    Letzten Mittwoch fand der der große Ausflug für alle Mitarbeiter der Fundación statt. Wir trafen uns am Morgen und fuhren zusammen al campo, aufs Land. Ich hatte das Vergnügen, die einstündige Fahrt mit vier anderen Leuten und jeder Menge Kisten voller Essen auf der Ladefläche eines kleinen Jeeps zu verbringen. (Was eigentlich noch gar nichts ist. In eben diesem Jeep mit eigentlich 5-6 Sitzplätzen im Inneren und einer ca. 3-4m² großen Ladefläche sollten wir ein paar Tage später mit sage und schreibe 31 Personen vom Zirkus zurückfahren.) Die bequemste Transportmethode war es nicht und ich hatte etwas Angst vor scharfen Bremsungen, aber ich habe es gut überstanden und es war sogar ziemlich lustig. Wir fuhren aus der Stadt hinaus und ein Stück die Anden hinauf, wo wir in einem Wald unser Lager aufschlugen. Dann wurde zusammen gekocht und zum Mittagessen gab es Unmengen von gegrilltem Fleisch, Mais, Salat, Brot und noch einige andere Spezialitäten von hier. Es war sehr schön mal außerhalb der Arbeit mit den anderen Mitarbeitern zusammen zu sein. Das beste war aber eindeutig die kleine Wanderung, die einige von uns unternahmen. Wir liefen den Wald nach oben und stießen auf ein wunderschönes Andenpanorama. Unser Weg ging vorbei an tiefen Schluchten und hohen Bergen und wir hatten einen guten Blick auf das Tal, in dem sich Cochabamba erstreckt. Sogar den unvermeidlichen Cristo konnte man erkennen. Unser Ziel war ein kleiner Bachlauf, der sich durch die Berge gefressen hat, wo wir eine Weile sitzen blieben und die Umgebung genießen konnten, bevor es wieder abwärts zu unserem Grillplatz ging. Das hat mich auf jeden Fall dazu motiviert, noch öfter mal Ausflüge in die Umgebung hier zu machen, was nur leider nicht ganz einfach ist, da es nicht so viele richtige Wanderwege geschweige denn Karten gibt.

  • Hola a todos!



    Hier kommt mein neuester Bericht aus Bolivien. Seit vier Tagen bin ich illegal im Land. Ja, ihr habt richtig gehört, ich habe im Moment tatsächlich keinen gültigen Stempel in meinem Pass. Bei unserer Einreise im Andendorf haben wir ja nur eine Erlaubnis für 30 Tage bekommen, obwohl eigentlich jedem Touristen 90 Tage zustehen. Und die Visums-Beantragung zieht sich dank der bolivianischen Bürokratie einfach ewig hin. Uns wurde aber glaubhaft versichert, dass uns nichts passieren kann, wenn wir erklären, dass wir bereits ein Visum beantragt haben. Das hoffe ich zumindest.


    Anni und ich haben jedenfalls schon einige Behördengänge hinter uns. Wie gut, dass es Mirka gibt, die auf die Sache spezialisiert ist und von Beruf mit solchen Leuten wie uns eben diese Behördengänge erledigt.


    Was wir schon alles erledigt haben:


    - Uns eine Bescheinigung von der Fundación geholt, die aber nicht ausreichte, da wir ein Visum der katholischen Kirche bekommen.


    - Uns deshalb eine Bescheinigung von einem deutschen Franziskanerbruder geholt, da auch die Franziskaner Freiwillige an die Fundación vermitteln. Wir müssen also so tun, als wären wir auch über die Franziskaner hier.


    - Zu einer Behörde gegangen, wo wir die Erlaubnis bekommen haben, uns Blut abnehmen zu lassen.


    - Zu einer weiteren Behörde gegangen, wo uns Blut abgenommen wurde (was bei mir allerdings nicht so einfach war, da ich laut der Angestellten keine Venen besitze).


    - Die Bescheinigung erhalten, dass wir nicht HIV-positiv sind und deshalb mit unserem Visums-Antrag fortschreiten können.


    - Zu Interpol gegangen, wo wir Fingerabdrücke aller unserer 10 (!) Finger abgeben mussten. Die Fotografin dort war leider krank.


    - Zu einem Fotografen gegangen, um Passfotos zu machen.


    - Zur lokalen Polizei gegangen, wo wir wiederum einen (ja, nur einen) Fingerabdruck abgeben mussten. Außerdem mussten wir eine Stromrechnung unserer Wohnung vorlegen. Leider ist Mirka ein Fehler passiert und wir haben jetzt die gleiche Adresse wie Marta, die andere deutsche Freiwillige. Wir müssen jetzt also auch so tun, als wohnten wir in der Avenida Heroinas. Wenigstens mussten wir uns deshalb nicht um die Stromrechnung kümmern.


    Am Dienstag treffen wir uns nochmal mit Mirka und müssen zur Migración gehen. Dann werden unsere kompletten Unterlagen und unsere Pässe nach La Paz geschickt. Nach weiteren zwei bis drei Wochen sollen wir dann angeblich unser Visum und unseren befristeten Personalausweis erhalten. Ich hoffe, das klappt auch so.


    Auch wenn ich noch kein offizielles Visum besitze, fühle ich mich doch schon sehr wohl und heimisch hier. Das Stadtzentrum kenne ich mittlerweile in- und auswendig und auch in der Wohnung habe ich mich gut eingelebt. Meine ständige Angst, beklaut zu werden, habe ich auch überwunden. Man muss vorsichtig sein, vor allem in einigen Situationen wie in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf dem Markt (wo jemand auch schon mal seine Hand in Annis Tasche hatte, was sie aber Gott sei Dank bemerkt hat) oder einfach im Gedränge, aber man muss es auch nicht übertreiben. Ich fühle mich insgesamt ziemlich sicher hier.


    Auch die politische Lage hat sich anscheinend entspannt. Zumindest kriegt man kaum mehr etwas davon mit und die Zeit der kilometerlangen Schlangen an den Tankstellen ist auch vorbei. Ich denke allerdings, dass es jederzeit wieder zu so einer Situation kommen kann, an dem Problem bzw. Konflikt hat sich schließlich nichts geändert. Aber ich hoffe natürlich, dass es jetzt erst mal ruhig bleibt.


    Wir sind hier gerade mitten im Frühling, überall blühen die Bäume wunderschön. Es wird jeden Tag wärmer, allerdings nur tagsüber. Dank der sehr großen Temperaturunterschiede zwischen morgens/abends und mittags/nachmittags habe ich mir auch schon eine heftige Erkältung eingefangen. Wir Deutschen hier sind sowieso dauernd krank, sei es wegen Magenproblemen , Erkältung oder Kreislaufschwächen. Wir wechseln uns sozusagen ab. Gott sei Dank ist der Spuk aber nach zwei bis drei Tagen fast immer wieder vorbei.


    Vor ca. einer Woche hat es das erste Mal geregnet. Vorbei der ewig tiefblaue Himmel und die strahlenden Tage des Winters. Regenzeit ist eigentlich von November bis Januar/Februar, da die Vorboten dieses Jahr aber schon so früh kommen, scheint es sich etwas nach vorne zu verschieben. Ich bin schon mal gespannt auf die Regenzeit und weiß noch nicht so genau, was mich erwartet. Hier ist es natürlich nicht so extrem wie im tropischen Tiefland, aber es soll trotzdem täglich genau zweimal runterschütten. Dank der Sommerhitze soll aber auch gleich alles wieder trocknen.


    Mit der Arbeit komme ich immer besser zurecht, vor allem in Prevención. Dort kenne ich mich mittlerweile gut aus und weiß, was ich zu tun habe. Ich bin ja jetzt die Verantwortliche für die Gruppe der Kleinen, was natürlich um einiges mehr Verantwortung und Arbeit bedeutet, aber ich bin ganz froh darüber. Es sind ca. 14-17 Kinder und ich komme mittlerweile mit allen gut klar, außer mit meinem speziellen Freund Cristian, mit dem ich einen Machtkampf austrage, den er wohl gewinnen wird. Zumindest kümmert er sich kein bisschen darum, was ich ihm sage, sondern macht das genaue Gegenteil und ich habe den Verdacht, dass er oft ziemlich böse Schimpfwörter zu mir sagt, weil er genau weiß, dass ich es nicht verstehe. Oder es ist ihm schlicht und einfach egal, ob ich es verstehe. Mit ihm habe ich jedenfalls noch so meine Probleme. Meine Vorgängerin Jenny hat mir gesagt, ich soll auf keinen Fall böse oder streng zu ihm sein, sondern immer lieb und freundlich. Das fällt mir allerdings sehr schwer bei seinem Verhalten. Ich habe aber erfahren, dass er aus einer sehr armen Familie kommt und seine Eltern auch noch beide Alkoholiker sind und ihn anscheinend viel schlagen. Wen wundert es da, dass er so ist? Mit den anderen Kindern ist es Gott sei Dank leichter. Nach mehrmaligem Auffordern oder einem strengen Blick machen sie dann doch immer das, was ich sage.

  • A propos deutsche Freiwillige, in der Fundación arbeiten übrigens außer Anni und mir noch zwei, Marta und Judith, mit denen ich mich auch sehr gut verstehe.Gestern wollten wir mit den beiden eine Wanderung zu Inka-Ruinen hier in der Nähe von Cochabamba machen. Gleich früh morgens fuhren wir in den Nachbarort Quillacollo, wo wir noch eine Deutsche trafen, Elisabeth, die etwas außerhalb von Cochabamba arbeitet. Wir hatten geplant zu den Ruinen zu laufen und rückwärts ein Taxi zu nehmen. Da das Benzin im Moment aber so knapp ist, wurde uns gesagt, wir würden vielleicht kein Taxi mehr für die Rückfahrt bekommen, weswegen wir den Ausflug lieber verschoben. Wir schauten uns ein bisschen Quillacollo an und aßen auf dem Markt (kleinere Ausgabe von La Cancha) zu Mittag, anschließend fuhren wir in Elisabeths Dorf und sahen uns an, wo sie lebt. Elisabeth wohnt direkt in ihrem Projekt, einem Kinderheim für 13 Kinder. Es sind zwar keine Waisenkinder, aber ihre Familien kümmern sich nicht um sie oder haben sie teilweise sogar verlassen und sich ins Ausland abgesetzt. Ich fand es sehr schön auch mal zu sehen, wie andere Freiwillige hier so leben und arbeiten und dass es noch so viele interessante Projekte und Einsatzbereiche gibt. Wir wurden ganz nett aufgenommen und durften sogar mit zu Mittag essen (viiiel besser als bei uns in der Fundación) und es hat mir echt gut dort gefallen.


    Meinen freien Tag morgen werde ich wohl dazu nutzen um nochmal zu La Cancha zu gehen und nach einigen nützlichen Dingen wie z.B. Vorhängen für mein Zimmer zu suchen. Und Dienstag geht es dann endlich weiter mit meinem Alltag hier, der allerdings noch alles andere als alltäglich, sondern sehr spannend ist.



    Viele Grüße aus Bolivien,


    eure Johanna

  • Aber jetzt komme ich endlich zum wichtigsten Teil meines Aufenthalts hier, meiner Arbeit in der Fundación Estrellas en la calle. Es gibt dort ja vier Hauptprojekte, Coyera (Straßenkinderprojekt); Wiñana (Resozialisierungsprojekt), Fenix (Kindergarten) und Inti K’anchay (Präventionsprojekt), wobei ich in den letzten beiden arbeite. Vormittags die Arbeit in Inti K’anchay gefällt mir sehr gut, es findet in einem eigenen Haus etwas abgelegen von der Innenstadt statt und dort herrscht, wie ich finde, einfach eine tolle Atmosphäre. Ziel des Projektes ist es, Kindern und Jugendlichen aus Armen Familien unter die Arme zu greifen, indem man ihnen einen geregelten Tagesablauf und viele soziale Kontakte bietet, um sie damit von der Straße fernzuhalten. Außerdem unterstützt man sie schulisch, denn Bildung ist der beste Weg um ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Es gibt dort zwei Gruppen (eine zwischen 7 und 12 und eine zwischen 13 und 18 Jahren), ich wurde bei den Kleinen eingeteilt. In der Gruppe sind ca. 12-15 Kinder, die jeden Morgen um neun Uhr kommen. Wichtig ist, dass sie alle ordentlich ihre Hausaufgaben machen, meine Aufgabe ist es also, das zu überwachen und ihnen dabei zu helfen. Wenn sie früh genug fertig sind, können sie dann noch spielen oder sich unterhalten bis es Mittagessen gibt. Nach dem Mittagessen müssen sie dann alles aufräumen und putzen, was eigentlich ganz gut klappt, man muss aber trotzdem immer aufpassen, ob wirklich jeder seine Aufgabe erledigt. Dann ziehen sich alle für die Schule an und bekommen das Fahrtgeld um zur Schule fahren zu können.


    Wenn alle verschwunden sind (was sich meist recht lange hinzieht), fahre ich dann nach unten ins andere Projekthaus, zum Kindergarten. Das ist bei weitem die anstrengendere Arbeit, denn die Kinder halten einen unentwegt auf Trab und es sind auch einige ganz schön freche Jungs dabei. Ich muss mich da gerade erst noch etwas einfinden, da ich noch nicht genau die Abläufe kenne und vor allem, da ich große Probleme habe die Kinder zu verstehen. Mit den älteren Kindern in prevención kann ich gut kommunizieren, da sie sich auf mich einstellen und extra deutlich sprechen, aber bei den Kleinen geht das noch gar nicht. Die Größe der Kindergarten-Gruppe ist immer unterschiedlich, zumal es zwei verschiedene Zusammenstellungen gibt. Montags, Dienstags und Donnerstags sind die Kinder von den Teilnehmern von Wiñana (also Restaurant- und Hängematten-Projekt), meistens so zwischen 5 und 15 an der Zahl. Mittwochs und Donnerstags kommen die Kinder von Coyera, also die Kinder, die wirklich auf der Straße leben. Das sind meist etwas weniger, ca. 6-8. Sie werden dann gebadet (falls Wasser da ist) und ihre Kleidung gewaschen. Die Kinder sind erstaunlich zutraulich und hängen gleich an einem dran und besonders die Straßenkinder sind leicht zu begeistern und so richtig aus dem Häuschen, wenn man sich um sie kümmert und mit ihnen spielt. Sie sind aber auch nicht ganz einfach, da sie keine Grenzen kennen und kaum auf einen hören, denn auf der Straße können sie mehr oder weniger tun, was sie wollen.


    Aus mehreren Gründen (Besuch bei der Einwanderungsbehörde am Montag, Bürokratie bei der Beschaffung unseres Visums) habe ich diese Woche noch recht unregelmäßig gearbeitet und was ich hier geschildert habe sind nur meine ersten Eindrücke. Beim nächsten Mal kann ich sicher noch viel mehr über meinen Alltag hier berichten.


    Jetzt sollte ich natürlich noch auf die aktuelle Situation hier im Land eingehen, vor allem nachdem mich viele danach gefragt haben und das Thema ja jetzt auch in der deutschen Presse viel Aufmerksamkeit zu bekommen scheint. Cochabamba liegt ja im Hochland mit hauptsächlich indigener Bevölkerung, wo eine eindeutige „Evo sì“-Einstellung herrscht. Bis jetzt habe ich hier von den Konflikten noch wenig mitbekommen, außer dass viel darüber geredet wird. Was man aber kaum übersehen kann, ist dass es kaum Benzin und Gas gibt, da die Straßen ins Tiefland größtenteils blockiert sind, auch an Reisen dorthin ist nicht zu denken. An den Tankstellen sind überall kilometerlange Schlagen, die Leute schieben teilweise ihre Autos bis zur Tankstelle oder stehen ohne Auto mit riesigen Kanistern an. Wir selbst hatten hier in der Wohnung fast zwei Wochen kein Gas, bis Angela irgendwo welches aufgetrieben hat. Aber selbst das war Glück. Wenn man mit den Leuten hier spricht, hört man verschiedene Ansichten. Yhasmany zum Beispiel ist fest davon überzeugt, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist und sich in wenigen Wochen alles lösen wird. Seiner Meinung nach sind die Bolivianer viel zu friedlich um ernsthaft einen Bürgerkrieg anzufangen. Andere dagegen sind schon besorgt, dass es zu weiterer Gewalt kommen wird. Ich befürchte, dass es nicht ganz so schnell zu einer Lösung kommt, wie Yhasmany meint, aber ich glaube nicht an den Bürgerkrieg und denke, die Lage wird sich auch wieder normalisieren. Wie man aber eine Lösung für das Problem finden soll, ist mir rätselhaft. Um mich selbst mache ich mir keine großen Sorgen und auch ihr könnt beruhigt sein, dass es mir gut geht. Wenn man die Krisengebiete im Tiefland meidet, passiert einem hier nichts. Und für den Ernstfall haben wir deutschen Freiwilligen hier Schreiben an die deutsche Botschaft geschickt, damit die bescheid weiß und wir im schlimmsten Fall hier rausgeholt werden könnten. Bleibt abzuwarten, wie es jetzt weitergeht.

  • 14.09.08


    14. September – Geburtstag von Cochabamba! Schon seit Freitag finden hier Militärparaden und Feuerwerke statt und jede einzelne Schule nimmt mit Marschmusik und Parade an den unzähligen Umzügen teil. Gestern Abend gab es angeblich im Stadion sogar einen Wettbewerb zwischen den Schulen. Auch Feuerwehr, Polizei&Co haben sich in Schale geworfen und zeigen alles, was sie an Fahrzeugen und Uniformen zur bieten haben. Wie gut, dass heute endlich der große Tag gekommen ist und das ganze bald ein Ende hat. Ungünstiger Zufall, dass der Feiertag genau auf einen Sonntag fällt? Kein Problem für die Bolivianer! Da wird eben einfach der Montag als arbeitsfreier Tag erklärt. Ich kann also gerade mein verlängertes Wochenende genießen.


    Aber vielleicht sollte ich erst mal von vorne beginnen. In meinem letzten Bericht hatte ich ja noch erwähnt, dass ich zu dem traditionellen Pachamama-Ritual gehen würde. Das war tatsächlich ein interessantes Erlebnis, auch wenn es nicht so schöne Folgen hatte. Viktor, der Direktor der Fundación holte uns ab und als wir durch die Stadt fuhren, sahen wir schon an vielen Ecken kleine Feuer brennen. Schließlich kamen wir zu einer Art Jugendzentrum (ich habe nicht ganz verstanden, was es sein sollte) und uns wurde gleich mal Chicha serviert. Chicha ist ein traditionelles bolivianisches Getränk, das aus Mais hergestellt wird, oft als „Maisbier“ übersetzt. Angeblich wird es mithilfe von Speichel hergestellt, wobei ich hoffe, dass mein Reiseführer und einige Bolivianer lügen und das entweder nur ein Gerücht ist oder heutzutage Chicha industriell hergestellt wird. Es wurde in einem Tonkrug serviert und mit einer Schale aus einer kokusnussähnlichen Frucht herausgeschöpft. Wenn einem jemand Chicha anbietet, muss man die Schale nehmen und ein bisschen davon als Geschenk an Pachamama, die Mutter Erde, auf den Boden schütten. Dann muss man die ganze Schale austrinken. Und ich muss sagen, das Getränk schmeckt wirklich sehr…gewöhnungsbedürftig, um nicht zu sagen ekelhaft. Vielleicht muss man sich auch einfach erst an den Geschmack gewöhnen, aber ich wollte wirklich nicht viel davon trinken. Dummerweise bekamen wir natürlich dauernd die Schale angeboten und mussten sie selbstverständlich annehmen. Wie gut, dass man immer ganz unauffällig die Hälfte als Tribut an Pachamama auf den Boden schütten konnte…


    In der Mitte des Innenhofes war eine Art Altar aufgebaut und als das Ritual begann, wurde an alle Anwesenden eine Handvoll Kokablätter ausgeteilt. Ich kam also zum ersten Mal in den Genuss, Kokablätter zu kauen, wobei man sie ja eigentlich nicht richtig kaut, sondern als Klumpen in der Backe behält. Nach mehrern Stunden (ich habe sie natürlich viel früher schon wieder ausgespuckt), soll man dann angebelich Müdigkeit und Hunger nicht mehr spüren und sich fitter fühlen. So angenehm fand ich das Gefühl aber nicht, den Kokablätter-Klumpen im Mund herumzutragen, obwohl ich nur einen Bruchteil dessen in den Mund genommen habe, was die anderen so darin verschwinden ließen. Für das Ritual musste dann jedenfalls jeder sein schönstes Kokablatt aussuchen und auf den Altar legen. Nach einigen mir unverständlichen Sprechchören warf dann der Zeremonienmeister das Tuch mit den Kokablättern in das kleine Feuer vor dem Altar. Anschließend sollte jeder an vier Ecken um das Feuer ein wenig Chicha vergießen, natürlich auch als Geschenk oder Opfer an Pachamama. Ein Peruaner erzählte dann einiges über die Tradition in seinem Kulturkreis, allerdings sprach er so seltsam, dass ich kein Wort davon verstand. Damit war dann der „offizielle Teil“ beendet und es kam eine Musikgruppe, die mit Panflöten und Trommeln ums Feuer tanzte und alle Anwesenden tanzten in einem noch größeren Kreis außen herum. Das war also das Ritual zu Ehren Pachamamas. Als wir gerade gehen wollten, geschah allerdings etwas unerfreuliches, wir gerieten nämlich in eine Art „Polizeirazzia“ der Einwanderungs-Polizei. Sie hatten alle Autos mit ihren Polizeilastern zugeparkt und hielten alle europäisch oder ausländisch aussehenden Leute, von denen viele bei dem Ritual anwesend gewesen waren, auf. Wir sollten unsere Pässe zeigen, allerdings hatte ich nur eine Kopie dabei. Ich erklärte, dass mein Pass gerade wegen meiner Visums-Beantragung in der Einwanderungsbehörde sei und ich ihn deshalb nicht dabei hätte (mal davon abgesehen, dass ich hier sowieso nie meinen Original-Reisepass mit mir herumtrage). Gott sei Dank waren die ganzen Leute von Estrellas en la calle dabei, die dann anfingen mit den Polizisten zu diskutieren und alles zu erklären, die Beamten zeigten sich allerdings nicht sehr einsichtig. Es war ein ewiges Hin- und Her und zu allem Übel bekam ich zu dem Zeitpunkt auch noch heftige Magenkrämpfe. Endlich wurden wir dann in Ruhe gelassen, aber nur weil Jenny, auch eine Freiwillige bei Estrellas en la calle, die allerdings selbst Bolivianerin ist, ihren Personalausweis abgab und sich dafür verbürgte, dass wir uns am Montag darauf in der Einwanderungsbehörde melden würden. Andere hatten wohl nicht so viel Glück und wurden auf die Ladefläche einen der Polizeilaster gepfercht und zum Schluss mitgenommen (was zu der skurrilen Situation führte, dass alle dort oben um Punkt Mitternacht fröhlich ein Geburtstagslied anstimmten). Bis wir endlich wieder mit unserem Auto wegfahren konnten, verging noch sehr viel Zeit und mir ging es immer schlechter. Die Chicha hatte mir wohl so richtig den Magen verdorben und ich schlief kaum die ganze Nacht lang. Danach habe ich mir geschworen, nie mehr Chicha zu trinken, aber ob sich das wohl so leicht einhalten lässt?


    An jenem Wochenende war ich auch zum ersten Mal auf La Cancha, was angeblich einer der größten Märkte Südamerikas ist. Das glaube ich aufs Wort, denn La Cancha ist wirklich gigantisch und erstreckt sich über einen ganzen Stadtteil. Man kann dort wirklich ALLES finden, und das sage ich aus vollster Überzeugung. Ob Schmuck, Kleidung, Obst, rohes Fleisch in allen (!) Variationen, Unterhosen, Stereoanlage, Hundewelpen, Schraubenschlüssel, Sofa, Computer oder Zahnstocher – all das kann man auf La Cancha kaufen. Man kann sich dort stundenlang treiben lassen, in einer der „Restaurant“-Abteilungen essen und weiß gar nicht mehr, wo man hinschauen soll vor lauter Eindrücken. Auf die Dauer wird es aber sehr anstrengend und irgendwann wollte ich diesem Chaos nur noch entkommen.Aber ich werde wohl noch öfter dort hingehen, da man sehr billig einkaufen und wirklich auch gute Sachen bekommen kann. Natürlich ist diese Gegend aber auch ein gefundenes Fressen für Diebe aller Art, weshalb man einige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen muss, also auf keinen Fall Schmuck tragen oder leichtsinnig mit Geld und Tasche umgehen.

  • Nach einigen weiteren Stunden waren wir endlich am Ziel: La Paz. Der erste Blick auf die Stadt raubte uns gleich den Atem. Die Lage und die Größe von La Paz sind einfach unglaublich, vor allem wenn man in Richtung El Alto hochblickt, das ehemalige Armenviertel von La Paz, das jetzt eine eigenständige Stadt mit fast einer Million Einwohner (natürlich immer noch so arm wie vorher) ist und wie an den Berg geklebt aussieht. Am Busbahnhof herrschte Chaos pur und ich fühlte mich sowieso nicht gut nach 30 Stunden Busfahrt und dann auch noch in der dünnen Höhenluft (La Paz liegt teilweise auf über 4000 m). Gott sei Dank half uns ein netter Bolivianer, den wir im Bus kennengelernt hatten, beim Geld wechseln und zeigte uns gleich, wo wir die Fahrkarte für den nächsten Tag nach Cochabamba kaufen konnten. Vor dem Busterminal sprachen uns gleich mehrere Polizisten an, die uns immer wieder zur Vorsicht mahnten und uns anwiesen, niemandem zu trauen, wir seien ja schließlich in Bolivien. Noch als wir ins Taxi stiegen, redeten sie auf uns ein mahnten uns eindringlich. Die ganze Situation stresste mich nur und ich war froh, als wir endlich im Hotel waren, diesmal luxuriöser als in Lima, sogar mit eigenem Bad und Frühstück. La Paz war mir gleich sehr sympathisch, es ist dort nicht so hektisch wie in Lima, aber sehr bunt und es gibt an jeder Ecke etwas zu sehen.


    Viel konnten wir jedoch nicht sehen, denn am nächsten Morgen ging es gleich weiter und nach weiteren sieben Stunden Busfahrt quer durch die Anden von 4000 auf 2500 Meter kamen wir endlich in Cochabamba an. In La Paz war es noch richtig kalt, aber die Landschaft veränderte sich immer mehr und es wurde immer wärmer. Hier in Cochabamba scheint die ganze Zeit die Sonne und tagsüber hat es 24-28° C. Und das im Winter! Als erstes erblickten wir natürlich die große Christusstatue auf ihrem Hügel, die sogar größer sein soll als die von Rio de Janeiro. Am Busbahnhof angekommen (noch viel chaotischer als in La Paz) entdeckte uns Gott sei Dank gleich unser Abholer Yhasmany. Er arbeitet für die Fundación Estrellas en la calle und ist zuständig für alle Freiwilligen. Wir erfuhren, dass wir in einer WG mit einer Bolivianerin wohnen würden. Angela ist 30 und Lehrerin für Gehörlose und begrüßte uns gleich ganz nett. Die Wohnung war noch sehr chaotisch, da unsere beiden Vorgängerinnen noch dabei waren, ihre Zimmer auszuräumen und sauberzumachen. Die Wohnung ist sehr bescheiden eingerichtet, aber recht groß, mit Wohnzimmer, Küche, Bad und drei Schlafzimmern, wovon wir zwei bekamen. In meinem Zimmer befinden sich ein Schrank und zwei Matratzen (die leider schon sehr durchgelegen sind) und ich habe sehr viel Platz. Und, nicht zu vergessen, freie Sicht auf die Christusstatue, die nachts auch noch grell beleuchtet ist.


    Am nächsten Morgen wollte uns Yhasmany um halb drei abholen um uns die Fundación zu zeigen. Vorher fragte uns Angela, ob wir mit ihr in der Stadt etwas essen wollten, wozu wir natürlich gerne einwilligten. Allerdings brauchte sie dann so lange, dass es schon recht spät wurde und wir kamen erst um 10 vor drei wieder nach Hause. Angela versicherte uns aber, das sei überhaupt nicht schlimm, Yhasmany käme eh nie pünktlich. Nachdem er um fünf Uhr aber immer noch nicht da war, rief sie dann doch mal an und wir erfuhren, dass er um zwei jemanden geschickt hatte, wir aber nicht da gewesen seien. Er werde uns am nächsten Morgen um neun Uhr abholen. Pünktlich um neuen saßen Anni und ich mit gepackter Tasche da, aber mal wieder kam niemand. Nach fast vier Stunden wurde uns das Warten zu dumm und wir fuhren wieder ins Zentrum um zu essen und uns anschließend mit Angela zu treffen, die uns beim Handykauf half. Mit unseren neuen Handys riefen wir gleich Nicole an, die deutsche stellvertretende Direktorin der Fundación, die sagte sie würde um halb sieben zu uns kommen. Um neun stand sie dann mit Victor, dem Direktor vor der Tür, wir waren schon etwas verärgert, weil wir immer wieder versetzt wurden. Die beiden waren aber so nett, dass wir ihnen das gleich wieder verziehen.


    Endlich erfuhren wir auch, wo wir arbeiten würden, die Fundación besteht schließlich aus einigen Projekten. Ich werde vormittags immer im Projekt Prevención arbeiten, wo Jugendliche zwischen ca. 8 und 16 Jahren betreut werden, die zwar noch nicht auf der Straße, aber in sehr schwierigen Verhältnissen leben. Nachmittags werde ich dann im Kindergarten bei den ganz kleinen sein. Anni dagegen arbeitet in einem Wiedereingliederungsprojekt mit ca. 7 Teilnehmern, die dazu ausgebildet werden ein deutsch-bolivianisches Restaurant zu eröffnen, und im Projekt Coyera, das direkt auf der Straße mit den Jugendlichen arbeitet. Außerdem darf sie zu ihrer großen Freude zweimal in der Woche der Buchhalterin helfen, da sie schließlich eine Ausbildung in der Bank gemacht hat.


    Am Mittwoch wurde uns dann endlich alles gezeigt. Die Fundación besteht aus zwei Häusern. Im kleineren befindet sich der Kindergarten, das Wiedereingliederungsprojekt und die Büros der Psychologen und der Krankenschwester. Im größeren, das etwas außerhalb liegt, befinden sich das Projekt Prevención und ein weiteres Wiedereingliederungsprogramm (neben dem Restaurant-Projekt), bei dem Frauen das Teppich- und Tücherweben beigebracht wird. Außerdem ist dort das allgemeine Büro der Organisation und zwei Zimmer für je zwei Freiwillige. Erst dachten wir ja, dass wir dort untergebracht wären, allerdings war wohl kein Platz mehr für uns zwei. Alle begrüßten uns richtig herzlich und ich war erstaunt, wie vor allem die kleinen Kinder gleich Vertrauen zu uns fassten. Obwohl sie uns erst ein paar Minuten kannten, bestanden sie alle darauf, sich stilecht mit einem „besito“ von uns zu verabschieden.


    Die richtige Arbeit beginnt erst am Montag, so hatten wir diese Woche noch Zeit uns einzugewöhnen. Jetzt freue ich mich aber richtig drauf, wenn es endlich los geht! Heute Nachmittag hatten wir noch ein Einführungsseminar, bei dem uns Yhasmany die ganze Geschichte Boliviens von den Anfängen an vorgestellt hat, ich bin jetzt also Expertin für bolivianische Geschichte. Heute Abend wollen wir mit einigen Leuten aus der Fundación zu einem traditionellen Ritual gehen, dass jeden ersten Freitag im Monat zu Ehren von Pachamama, der Mutter Erde, stattfindet. Ich kann mir noch nicht so richtig etwas darunter vorstellen, deshalb bin ich mal sehr gespannt. In meinem nächsten Bericht kann ich ja davon erzählen.


    Ich stelle gerade fest, wie lang dieser Text geworden ist, aber ich hatte einfach so viel zu berichten. Ich hoffe, es hat sich keiner beim Lesen gelangweilt.


    Viele Grüße an alle aus Bolivien!

  • 05.09.08
    Nach 10 Tagen hier in Südamerika wird es endlich mal Zeit für einen ersten Bericht, vor allem da ich schon so viel erlebt habe.


    Allein die Reise war ein Abenteuer. Am Mittwoch Nachmittag peruanischer Zeit landete ich mit meiner Mitreisenden Anni am Flughafen von Lima. Eigentlich wollten wir dort nur eine Nacht bleiben und am nächsten Tag gleich mit dem Bus weiter nach La Paz fahren. Iberia machte uns aber einen Strich durch die Rechnung, da Annis Koffer in Madrid geblieben war und erst am nächsten Abend nachgeschickt wurde. Also blieben wir eben einen Tag länger als geplant in Lima, was den Vorteil hatte, dass wir gleich die Stadt erkunden konnten. Unser Hotel war mit 4 Doller pro Person und Nacht auch nicht gerade das teuerste, lag dafür aber mitten im Zentrum. Lima hat eine recht schöne Innenstadt, ist allerdings chaotisch und kam mir sehr grau vor, was einerseits sicher an der Jahreszeit Winter liegt (es hatte ca. 16° C), aber bestimmt auch mit der verpesteten Luft zusammenhängt, denn der Verkehr in dieser gigantischen Stadt ist einfach unglaublich.


    Mit einem der Minibusse, die ununterbrochen vorbeifahren und deren „Kundenanwerber“ an jeder Ampel in Sekundenschnelle alle einzelnen Fahrziele herunterrattern, fuhren wir am Nachmittag in den Stadtteil Miraflores, der am Meer liegt und wo hauptsächlich reichere Leute wohnen. Man hatte leider keine gute Sicht und das Meer war grau und verhangen, aber dennoch tat es gut mal frische Luft einzuatmen und die Ruhe zu genießen, bevor wir wieder in den Großstadtwahnsinn zurückkehrten. Wegen der Zeitverschiebung waren wir so müde, dass wir um 18 Uhr bereits ins Bett gingen.


    Früh am nächsten Morgen traten wir dann unsere größte Reiseetappe an, die Busfahrt von Lima nach La Paz, die 30 Stunden dauern sollte. Für den unglaublich hohen Preis von 115 Dollar bekamen wir da Gott sei Dank auch etwas geboten. Wir hatten mit zwei anderen Passagieren eine Art Abteil für uns, da wir die einzigen im unteren Stockwerk waren und die Sitze waren sehr bequem und ließen sich fast bis in die Waagrechte zurückklappen. Außerdem bekamen wir Mittagessen, Abendessen und Frühstück während der Fahrt serviert und es liefen permanent Filme zur Unterhaltung (die sich allerdings als nervig entpuppten, da der Ton unglaublich laut war, obwohl sie aus unserem Abteil niemand sehen wollte). Und natürlich findet man auch im bequemsten Sitz nach einigen Stunden keine bequeme Position mehr. Da freute man sich sehr über die drei bis vier kurzen Pausen, bei denen man sich mal kurz die Beine vertreten konnte. Glücklicherweise wurden wir für diese Tortur durch die tollen Landschaften und die tausend Eindrücke, die wir schon mal sammeln konnten, entschädigt. Zuerst fuhren wir durch wüstenähnliche Gegend entlang der peruanischen Pazifikküste, wo es wirklich nichts gab außer ab und zu ein paar ärmlichen Dörfern oder riesigen Coca-Cola-Werbeschildern. Abends fuhren wir dann langsam richtung Osten in die Anden hinein, allerdings bekamen wir wegen der Dunkelheit kaum etwas davon mit. Bei unserem ersten Halt am Morgen bekamen Anni und ich auch gleich mal einen Kälteschock, da es wohl Temperaturen um den Gefrierpunkt gehabt haben musste. Irgendwann war es dann endlich so weit: Wir kamen zum Titicacasee, wo sich auch die Grenze zwischen Peru und Bolivien befindet. Der See (übrigens der höchste schiffbare See der Welt und 13 mal so groß wie der Bodensee) ist wirklich wunderschön. Den Anblick des tiefblau glitzernden Wassers von den riesigen schneebedickten Gipfeln der Anden hätte ich am liebsten mit meiner Kamera festgehalten, durch die verdreckte Fensterscheibe dese Busses ist mir das aber leider nicht so gut gelungen.


    Unser Grenzübertritt war eine recht komplizierte Sache. Wir hielten in einem kleinen Andendörfchen an, wo richtig buntes Treiben herrschte, indigene Frauen in traditioneller Kleidung, die Essen verkauften, mit Kartoffelsäcken beladene Karren, die durch die Gegend geschoben wurden und Marktstände aller Art. Mitten in diesem Chaos wurde also unsere Reisegruppe abgesetzt und Anni und ich hatten erst mal keinen Plan, wo wir hin mussten. Erst mussten wir in ein Büro und unseren Pass anschauen lassen, dann mussten wir in ein anderes gehen und uns einen Stempel in selbigen geben lassen, aber das war alles auf peruanischer Seite. Zwischendrin schauten wir immer hilfesuchend durch die Gegend, bis uns die freundliche Busbegleiterin erklärte, was wir als nächstes machen mussten. Dann liefen wir also zu Fuß über die Grenze und mussten auf der anderen Seite wieder das Einwanderungsbüro suchen, wo wir uns erst anstellten um ein Dokument zu bekommen, dass wir dann ausfüllen mussten, nur um uns anschließend wieder in einer Schlange anzustellen um unseren Einreisestempel zu bekommen. Der Beamte dort wollte uns dann nicht mal die 90 Tage Aufenthaltserlaubnis geben, die einem Touristen eigentlich zustehen, sondern nur 30 ohne das Ganze näher zu begründen. Als endlich wieder alle im Bus saßen, ging die Fahrt weiter. In bolivianischen Bussen wird übrigens erst losgefahren und dann gezählt, ob alle da sind. Wenn einer fehlt (was fast immer der Fall ist), wird also eine Vollbremsung eingelegt und die gefahrene Strecke rückwärts wieder zurückgefahren, um die fehlenden Passagiere einzuladen.

  • das hatte ich thomas auch schon gesagt. er hat auch irgendwas eingebaut.. neue einträge nach dem letzten besuch aber das ist halt auch nicht so das wahre. ich vermiss das alte forum :(


    gioooo : ) ich freu mich schon auf deine berichte! eig sollt ich lernen hahah aber AHHH DIE NEUGIER! :D

    Besides the noble art of getting things done, there is a nobler art of leaving things undone. The wisdom of life consists in the elimination of nonessentials.


    save our planet!