Cochabamba, 20.03.2009
Nachdem ich in meinen letzten Rundbriefen meistens über besondere Ereignisse, Reisen usw, berichtet habe, wird es nun mal Zeit ein bisschen über den Alltag hier in Cochabamba zu erzählen. Nach 7 Monaten ist das für mich natürlich alles selbstverständlich geworden. Für Leute, die noch nie hier waren, ist es aber bestimmt nicht so leicht sich das vorzustellen.
Für alle, die es nicht wissen, Cochabamba liegt in einem Andental. Die Innenstadt ist sehr flach und in den Randbezirken ziehen sich die Häuser langsam die Hänge nach oben. Allgemein kann man sagen, dass im Norden der Stadt die reicheren Leute wohnen und die besseren Häuser stehen. Im nördlichen Teil der Innenstadt sind die schicken Hochhäuser, Restaurants, Hotels und Kneipen, je weiter man nach Süden kommt, desto mehr verändert sich das Stadtbild. Es gibt mehr Straßenstände, einfache Lokale usw, bis man schließlich zur Cancha kommt, dem chaotischsten und buntesten Stadtviertel, in dem fast immer die Hölle los ist. Nachts sollte man sich hier allerdings nicht länger als nötig auf den Straßen aufhalten, da das nicht ungefährlich ist. An den Andenhängen leben eher die einfachen Leute. In der Region unseres Preventions-Haus Inti K’anchay z.B. gibt es keine geteerten Straßen, viele ärmliche Häuser und nur ein paar kleine Läden.
In der Innenstadt sind alle Straßen symmetrisch angeordnet, so dass alles in Quadraten, also in Häuserblöcken gezählt wird. Z.B. „Von hier wären das fünf Quadras geradeaus und dann noch drei Quadras nach rechts“. Das macht es natürlich recht einfach, sich zu orientieren. Ortsangaben bzw. Adressen lauten auch immer: „Ich wohne in der Heroinas, zwischen der 25 de Mayo und der San Martín.“
Immer wieder faszinierend finde ich das Verkehrsnetz von Cochabamba. Es gibt nicht viele Privatautos hier, aber man kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu jedem Punkt der Stadt. Es gibt die Kleinbusse, die rot-blau-weißen „Micros“, die meiner Meinung nach einfach Kultstatus haben. Sie sind oft schon recht klapprig und von ihren Fahrern meist liebevoll mit Kuscheltieren, Glitzeranhängern, Aufklebern, manchmal auch Postern und schlauen Sprüchen verziert. Jeder Micro hat also irgendwie seinen eigenen Charakter. Zu Rush-Hour-Zeiten sind die oft so vollgestopft, dass ich schon manchmal halb in der Tür (die immer offen ist) und halb draußen hängend die Stadt durchquert habe. Besonders schön ist es auch immer, wenn man sich von ganz hinten nach vorne durchdrängen muss, vorbei an den dicken Cholitas (indigenen Frauen) mit ihren Kindern und ihrem halben Hausstand in ihrem typischen bolivianisch Tuch auf dem Rücken, den kleinen Kindern, Geschäftsleuten, Schülern usw.
Die Trufis sind eine Art VW-Busse, um einiges kleiner als die Micros und auch viel langweiliger, da die schönen Verzierungen fehlen. Das nervige dabei ist, dass, wenn man von hinten aussteigen will, immer der halbe Bus mit aussteigen muss, da jedes bisschen Platz durch ausklappbare Sitze ausgenutzt wird, die dann erst weggeklappt werden müssen.
Außerdem gibt es noch die Taxi-Trufis, sozusagen Sammeltaxis, die oft so ausgebaut sind, dass es statt Kofferraum eine dritte Sitzbank gibt. Dabei gilt die Regel: wenn möglich vier Leute auf der Rückbank und auf jeden Fall zwei auf dem Vordersitz.
All diese Verkehrsmittel haben bestimmte Nummern oder Buchstaben und fahren immer eine feste Route. Wenn man mitfahren will, muss man sich also nur an einen Punkt der Route stellen und das nächste Gefährt anhalten, das kommt. Manchmal dauert das fünf Minuten, manchmal eben auch eine halbe Stunde. Am Anfang wussten Anni und ich nur von dem Micro L, der bei unserem Haus vorbei fährt und der dummerweise sehr, sehr selten kommt. Mittlerweile kennen wir schon fünf Möglichkeiten, um von der Innenstadt zu uns nach Hause zu kommen, so dass es meistens sehr schnell geht.
Wenn man an seinem Zielort angekommen ist, muss man nur dem Fahrer „En la esquina, por favor“ („An der Ecke bitte“) oder „Voy a bajar“ („Ich steige hier aus“) zurufen. Am Anfang war es immer schwierig, zu erkennen, wann man denn genau aussteigen muss, vor allem wenn man im Mittelgang stand und keinen guten Blick nach draußen hatte. Bei einer Linie, mit der ich nicht so oft nach Hause fahre, weil ich dann noch recht weit laufen muss, hatte ich als Merkmal eine Wand, auf der groß „EVO SI – SI AL CAMBIO“ stand.Wenn die kam, wusste ich, dass ich an der richtigen Ecke angekommen bin. Vor einiger Zeit bin ich dann mal viel zu weit gafahren und musste hinterher feststellen, dass irgendjemand einfach meine Wand weiß übermalt hatte! So kann das natürlich auch schief gehen…
Der Spaß kostet übrigens immer 1,50 Bs, egal ob man nur zwei Straßenblöcke weit fährt oder die ganze Stadt durchquert. Nur wenn man von einem Vorort Cochabambas kommt, muss man 2 zahlen.
Ich bin immer wieder von dem System begeistert – man kann ein- und aussteigen, wo man will, muss keine Haltestellen und keine Zeiten kennen. Gut, es ist immer gut zu wissen, welche Route die einzelnen Linien fahren, auch wenn einige markante Punkte immer auf einem Schild ausgeschrieben sind. Aber das kriegt man schnell mit und mittlerweile kenne ich mich richtig gut aus, mit welchen Verkehrsmitteln ich in welchen Teil der Stadt komme.
Das mit dem Aussteigen, wo man möchte, nehmen die Bolivianer allerdings immer sehr wörtlich. Man stelle sich das so vor: Im Trufi möchte jemand aussteigen, alle vor ihm sitzenden machen im Platz, steigen wieder ein, schließen die Tür, der Trufi fährt los. 20 m weiter ruft der nächste, dass er aussteigen möchte und die ganze Prozedur muss wiederholt werden. Am Anfang habe ich nur den Kopf geschüttelt, warum man nicht einfach mit aussteigen kann, wenn es nicht mehr weit ist, aber mittlerweile ertappe ich mich selbst schon öfter dabei, wie ich noch weiterfahre, wenn eine Quadra vor meinem Aussteigepunkt jemand aussteigt.
Nicht vergessen darf ich natürlich die Taxis, die es hier zu tausenden gibt. Einerseits gibt es die offiziellen sogenannten „Radio-Taxis“, die zu einer bestimmten Firma gehören und mit Funk verbunden sind. Wenn man bei der Zentrale anruft, schicken die einem ein Taxi direkt an seinen Aufenthaltsort. Das ist aber meist nicht nötig, da man tagsüber nach einer Minute spätetstens auch so ein freies Taxi findet. Außerdem gibt es natürlich noch die inoffiziellen Taxis, die sich einfach ein „Taxi“-Schild in ihr Auto kleben. Es wird immer empfohlen mit Radio-Taxis zu fahren, da die sehr sicher sind. Tagsüber bin ich auch schon manchmal mit anderen gefahren, nachts würde ich das aber auf keinen Fall tun. Was bei Taxis noch zu beachten ist, die Anzahl der Mitfahrenden beschränkt sich natürlich nicht auf 4. Mein Rekord bis jetzt war zu neunt in einem Kleinwagen: Fünf hinten auf der Rückbank und einer quer über die Beine, drei auf dem Vordersitz. Es ist alles möglich… Auf einem meiner Fotos, die ich mitschicke, könnt ihr auch sehen, wie wir einmal unsere Kinder mit dem Taxi zurückgebracht haben.
Der Preis der Taxis richtet sich übrigens nach drei Faktoren: Strecke, Anzahl der Personen und Uhrzeit. Je mehr Leute mitfahren, desto teurer wird es nämlich (der Sinn hat sich mir immer noch nicht ganz erschlossen). Wenn ich tagsüber von mir in die Innenstadt fahre, zahle ich 6 Bs. Nach 22 Uhr wären das aber mindestens 10 Bs. Taxi fahren ist also wirklich sehr günstig hier. Ich mache es aber trotzdem nur, wenn ich sehr in Eile bin oder nachts, wenn keine Micros mehr fahren, da der Preisunterschied zu den anderen Verkehrsmitteln doch recht groß ist.