Policoro, Italia 05/06

  • An Neujahr gings dann wieder zum Essen zu Cherubinas Mutter. Und das wars jetzt dann hoffentlich auch mal.
    Ein letzter Feiertag ist noch der 6. Dezember, da kommt die Befana. Das ist eine ziemlich hässliche und alte Hexe, die auf dem Besen angeflogen kommt und den Kindern Geschenke bringt. Sozusagen der Ausgleich dafür, dass es hier keinen Nikolaus gibt. :-)
    Ferien sind hier übrigens auch bis zum 9. Dezember, das finde ich ziemlich gut, denn dann kann ich mich endlich mal ausruhen. Ich muss sagen, die 6-Tage-Schulwoche strengt mich schon ziemlich an.
    Mit dem Hausbau meiner Familie geht es übrigens recht gut voran. Auch wenn es mit der Vorhersage „Einzug vor Weihnachten“ nicht ganz geklappt hat, müssten wir Ende Februar, Anfang März umziehen können. Mittlerweile gibt es Fenster, eine Haustür und die Böden sind fast alle verlegt. Außerdem hat das Haus außen eine extrem schicke ;-) grüne Farbe bekommen. Kurz vor Silvester waren wir an einem Tag bei IKEA in Neapel. Die Fahrt dauerte vier Stunden, weil leider im Gebirge der Basilicata Schnee lag. Letztendlich hat meine Familie dann außer ein paar Schachteln doch nichts gekauft und der Rückweg dauerte ewig, weil wir auf Grund des Schnees (vor dem hier alle Autofahrer richtige Panik haben, selbst wenn es nur ein paar Flocken sind) einen riesigen Umweg über Bari machen mussten. Meiner Meinung nach hat es sich also nicht wirklich gelohnt. Naja, immerhin habe ich mal den Vesuv gesehen, auch wenn ich doch sehr enttäuscht war, wie mickrig der eigentlich ist.
    Zu den Vorurteilen vom letzten Mal wurden mir noch zwei Weitere geschrieben: Italiener sind sehr kinderfreundlich und allgemein eher klein. Zu letzterm kann ich sagen, das stimmt auf jeden Fall. Während ich in meiner deutschen Klasse ja eher zu den Kleinen gehöre, bin ich hier eine der größeren. Außerdem passiert es mir auch öfter mal, dass ich mit meinen 1,60 in einer Gruppe von 4 oder 5 Erwachsenen (meistens Frauen) stehe und die größte bin. Und zu der Frage, ob die Italiener kinderfreundlich sind: JA, das sind sie, und zwar extrem. Immer, wenn sie irgendwo ein Kind erblicken, sei es in echt, auf irgendeinem Bild oder im Fernsehen, brechen sie in Entzückensschreie aus und hören gar nicht mehr auf, davon zu erzählen, wie süß/goldig/wunderschön/wie ein Engel das Kind ist. Wenn z.B. die Enkelin unserer Nachbarin gegenüber da ist, und man das in unserer Wohnung hört, wird sofort die Haustüre aufgerissen und das arme Kind unter besagten Entzückungsschreiben erst mal abgeknutscht, der Oma entrissen und in unsere Wohnung geschleppt, wo sich dann wieder darüber unterhalten wird, was für ein kleiner Engel das doch ist.
    So, das wars dann mal mit meinen Neuigkeiten. Danke für die vielen Mails zu Weihnachten und Silvester, ich hab mich richtig gefreut! Mit dem Beantworten dauert es allerdings etwas, weil ja im Moment Nico da ist und ich deshalb den Computer nicht so oft nutzen kann.


    Viele liebe Grüße nach Deutschland,
    Johanna



    Was ich absolut klasse finde:
    - Der Weihnachtsbaum wird am 6. Januar abgebaut. Ich meine, er war ja schon schön, aber auf die Dauer nervt einen das Blinken einfach.
    - Hoffentlich werden mit der Weihnachtsbeleuchtung endlich auch die Lautsprecher in der Innenstadt abmontiert, aus denen man vor Weihnachten dauernd mit Jingle Bells & Co beschallt wurde und wo jetzt fast ausschließlich „Oh happy day“ läuft. Nichts gegen das Lied, aber ich kann es einfach nicht mehr hören.
    - Die Essphase ist jetzt endlich mal vorbei.
    - Noch fast eine Woche Ferien. :-)
    - Im Mai gibt es einen Schulausflug, wahrscheinlich nach Spanien und wahrscheinlich kann ich da zusammen mit Emilia mitfahren.



    Was mich nervt:
    - Die Lehrer haben über die Weihnachtsferien total viele Hausaufgaben aufgegeben, die ich natürlich nicht angerührt habe. Meiner Meinung nach sind die Ferien dazu da, mal nichts schulisches zu machen und sich zu erholen.
    - Handys! Übrigens hat man hier nicht immer nur ein Handy, sondern fast alle zwei, manche sogar drei. Man hat dann nämlich eine SIM-Karte der verschieden Anbieter. Mit denen die auch bei TIM (Telecom Italia) sind, kommuniziert man dann über das TIM-Handy, mit den WIND-Leuten über das WIND-Handy usw, weil es dann weniger kostet.



    Lustige Erlebnisse:
    - Einen Tag vor Weihnachten musste ich dringend noch mal mit Cherubina und Emilia weggehen um ein Geschenk für „eine Cousine von Cherubina, die aber jung ist und in etwa den gleichen Geschmack hat wie ich“ zu suchen. Ich ahnte natürlich rein gar nichts und war seeehr überrascht, als am Heiligabend dann der Schal und die Ohrringe für mich unter dem Baum lagen. ;-) Es war nämlich ein Geschenk von meiner Gastoma und meinem Gastopa.

  • Buon giorno!


    Das ist jetzt also meine erste Mail im Jahr 2006! Zuerst wünsche ich euch natürlich allen mal ein gutes neues Jahr, ich hoffe ihr hattet ein schönes Weihnachten und habt schön Silvester gefeiert.
    Von mir gibt es da natürlich viel zu berichten. Ich fang am besten Mal mit dem 8. Dezember an. Das ist ein Feiertag, an dem alle frei haben und fast alle ihren Weihnachtsbaum aufstellen und ihr Haus weihnachtlich schmücken. Und ich muss sagen, das war einer meiner lustigsten Tage hier! Es war total lustig, den ganzen Kitsch zusammen mit Mimmo und Emilia an den Baum zu hängen. Was da alles dran kam! Zuerst zehntausend Lichterketten, die übrigens alle mit verschiedener Geschwindigkeit blinken, dann ganz viele blaue und silberne Kugeln und todschicke Anhänger (Zapfen, Tropfen, Glöckchen, Weihnachtsmänner…), alle in den Farben silber und blau. Dann wurden ein Netz mit blinkenden Lichtern drüber gestülpt, künstliche Blüten reingesteckt und schließlich kunstvoll ein silbernes Band drum gewickelt, das mit einer riesigen silbernen Spitze oben fixiert wurde. Danach mussten wir aber feststellen, dass ddas Lichternetz nicht funktioniert und mussten das Band wieder abwickeln, entfernten das Netz und machten das Band kunstvoll wieder dran. Der Baum ist den ganzen Tag eingeschaltet und blinkt im Wohnzimmer vor sich hin. Wenn man ihn längere Zeit anschaut, wird man ganz blöd im Kopf, denn alles blinkt unterschiedlich schnell und dann gibt es so Phasen, wo alle Lichter ganz schnell flimmern. Aber ich muss sagen, ich hab hier noch Glück, fast alle haben nämlich rote, blaue und grüne Lichter an ihrem Baum, hier sind es Gott sei Dank nur ganz normale nicht farbige. ;-) Diese ganze Prozedur hat sich übrigens über den ganzen Vor- und Nachmittag erstreckt. Abends war dann die Krippe dran, die aus ganz vielen Häuschen und Figuren besteht, nicht zu vergessen die blinkenden Lichter. Oben sind gelbe Blinklichter, die die Sterne darstellen sollen und in den kleinen Häuschen und Hütten blinkt es gelb-grün-rot.
    Am letzten Schultag machten wir keinen Unterricht, sondern es gab eine Assemblea musicale, bei der alle im Auditorium versammelt waren und verschiedene Schülerbands gespielt haben. Die Stimmung war extrem gut und der Höhepunkt war eine Volksmusikgruppe, bei der alle vollkommen ausgeflippt sind und getanzt und gegrölt haben.
    Am Heiligabend kamen Abends Mimmos Eltern und sein Bruder zum Essen zu uns. Das Essen fiel dementsprechend üppig aus und wir saßen von acht bis elf Uhr am Tisch. Danach hatten wir noch eine Stunde Zeit, da hier die Geschenke ja erst um Mitternacht geöffnet werden. In dieser Stunde spielten wir Tombola. Das ist ein typisches Spiel, dass alle Italiener an Weihnachten und in den Tagen danach spielen. Es funktioniert so ähnlich wie Bingo und man spielt um Geld. Und es macht auf jeden Fall großen Spaß. :-) Alle zählten also den Countdown bis Mitternacht und es wurde eine Flasche Sekt geöffnet. Ich kam mir etwas vor wie im falschen Film, da mich das alles verdächtig an Silvester erinnerte. Nach dem Anstoßen gratulierten sich alle und dann gingen wir rüber zum Weihnachtsbaum um die Geschenke zu öffnen, die dort schon seit dem 8. Dezember nach und nach drunter gelegt worden waren. Das war das totale Chaos, immerhin waren wir acht Personen und hinterher sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Nach etwas Aufräumen gingen wir dann ins Bett.
    Am 1. Feiertag waren wir zum Mittagessen bei den Großeltern, am 2. Feiertag waren Verwandte zum Mittagessen bei und wir abends bei Bekannten zum Essen (da habe ich bei Tombola 5! Euro gewonnen). Ich hab glaub ich in meinem Leben noch nicht so viel innerhalb weniger Tage gegessen und konnte mich kaum noch bewegen. ;-)
    An Silvester ging es dann gleich weiten mit dem Essen. Abends kamen Cherubinas Mutter und eine Tante mit ihrem Mann zu Besuch und wir aßen den ganzen Abend und spielten wieder bis Mitternacht Tombola. Das Feuerwerk hier in Policoro hielt sich allerdings in Grenzen und war vielleicht etwas mit dem von Beerbach vergleichbar. ;-) Ach ja, eine Sache darf ich nicht vergessen. In Italien ist es Brauch, an Silvester rote Unterhosen zu tragen, was Glück bringen soll. Die hatten mir vorsorglicherweise Mimmo und Cherubina zu Weihnachten geschenkt, weil ich mal erwähnt hatte, dass ich gar keine besitze.

  • Zitat

    weil du ja der "einzige" Italien-ats bist

    ist johanna nicht ein mädchenname?
    sorry
    ich find die berichte auch total cool!!! schreib bitte mehr und öfter

    "Don't you hear? Don't you hear the dreadful voice that screams from the whole horizon, and that man usually calls silence?" (Lenz, Georg Büchner)

  • - Mädchen werden in Süditalien sehr behütet: Ich kann sagen: Das stimmt! Meine Familie ist da eigentlich sehr offen, aber trotzdem konnten wir z.B., als hier ein Fest war (das in etwa mit unserer Kirchweih zu vergleichen ist) Mimmo nicht überreden, bis Mitternacht zu bleiben. Ein wirklich extremes Beispiel sind die Eltern von Imma. Imma darf nur einmal in der Woche ausgehen. Ausgehen, das bedeutet so zwischen 5 und 8 Uhr in die Stadt zu gehen, im Park zu sitzen und durch die Geschäfte zu bummeln. Wenn sie das zum Beispiel am Montag macht, muss sie den Rest der Woche abends zu Hause bleiben. Als wir uns neulich zu sechst bei Rosannas Freund Leonardo getroffen, zusammen gekocht und gegessen haben, musste sie ihren Eltern erzählen, sie sei bei uns, sonst hätten sie es nicht erlaubt. Auch bei einer Freundin zu übernachten, ist unmöglich. Von Schulausflügen, die länger als zwei Tage dauern, ganz zu schweigen, da durfte sie noch nie teilnehmen. Die arme Imma hat aber wirklich ein besonders Pech, es sind nicht alle Eltern so. Trotzdem hat man hier als Mädchen bei weitem nicht so viele Freiheiten wie in Deutschland oder wie die Jungen hier. Deswegen können es viele Leute immer gar nicht glauben, dass meine Eltern mir das einfach erlaubt haben, 10 Monate von zu Hause wegzugehen. Das ist allerdings auch für die Jugendlichen unvorstellbar, die selber sagen, dass Italiener das nie machen würden, weil sie viel zu sehr an die Familie gebunden sind. Sie fragen mich auch oft, ob ich jeden Abend mit meinen Eltern telefoniere und sind richtig entsetzt, wenn ich sage, dass ich das nur ca. alle zwei Wochen mache. Aber selbst Nico, der ja schon 22 ist, muss jeden Abend zu Hause anrufen.
    - In Italien isst man jeden Tag Pasta: Stimmt! :-)
    So, jetzt fallen mir keine Vorurteile mehr ein. Falls ihr noch welche wisst, könnt ihr sie mir ja schreiben.
    Also, das wars mal wieder von mir hier, spätestens nach Weihnachten melde ich mich wieder um zu berichten, wie das hier abgelaufen ist.
    Noch mal danke für die vielen Antwortmails, ich freue mich wirklich über jede einzelne. Auch wenn ich manchmal nicht zum beantworten komme, was mir echt leid tut, aber ich freue mich echt total!!! Danke!


    Viele liebe Grüße ins kalte Deutschland (höhö),
    Johanna



    Was hier echt klasse ist:
    - Cherubinas selbstgemachte Pizza
    - Das hab ich die letzten Male vergessen zu schreiben: Ich wurde schon vor längerem feierlich in die Zubereitung des italienischen Caffè eingewiesen. Seitdem machen Cherubina, Emilia und ich immer abwechselnd den Kaffee, weil wir das alle drei so toll finden. ;-)
    - Es lebe die Kleinstadt! Ich kenn schon halb Policoro zumindest vom Sehen. Fast jedem ist man irgendwie schon mal begegnet, sei es beim Zahnarzt, in der Schlange an der Supermarktkasse, in der Schule oder sonst irgendwo.



    Was mich nervt:
    - Fernsehen! Also was hier im Fernsehen für ein Scheiß kommt, das ist teilweise schon unglaublich. In Deutschland gibt es das zwar auch, aber da schaut es irgendwie fast niemand an, zumindest von den Leuten, die ich kenne. Aber hier schauen das irgendwie alle an und reden natürlich auch drüber. Gott sei Dank ist die „Isola dei famosi“, wohl so was ähnliches wie das Dschungelcamp endlich vorbei!! Denn es wurde auch jeden Tag in den Nachrichten mindestens fünf Minuten drüber berichtet. Dann gibt es was, wo Leute irgendwelche Prüfungen bestehen müssen, z.B. Augen essen oder so was, genannt „La Talpa“. Jetzt beginnen die neuen Folgen von „Grande Fratello“ (=Big Brother) und dann gibt es noch „Amici“, so ähnlich wie „Deutschland sucht den Superstar“, nur nicht ganz so dumm. Ich kann mich aber glücklich schätzen, dass meine Gastfamilie das nicht alles anschaut. Die Gastschwester der anderen deutschen hier schaut sich ALLES an und die arme ist total entnervt. Ich muss nur samstags „Amici“ ertragen und kenne den Rest nur aus der Vorschau, den Nachrichten oder Erzählungen.
    - Al Bano! Ich kann ihn nicht mehr sehen. Der ist hier einfach überall. Sobald man den Fernseher anschaltet, sieht man seine Fresse (war auch bei der Insel der Berühmten). Und wenn es mal nicht er ist, dass ist es seine Ex-Freundin, die tränenreich ihr Unglück beweint.



    Lustige Erlebnisse:
    - Manchmal, wenn der Papst in den Nachrichten kommt (das tut er eigentlich jeden Tag), muss ich irgendein Wort aussprechen, was er gerade gesagt hat. Und dann versichert mir immer die ganze Familie, dass ich eine viel bessere Aussprache habe und regt sich auf, warum er das immer noch nicht gelernt hat. ;-)
    - Ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt. Dieses Jahr habe ich doch tatsächlich mal wieder Diddl-Sachen als Weihnachtsgeschenke gekauft. Imma ist der absolute Diddl-Fan, ihr ganzes Zimmer quillt über vor Diddl (nein, eigentlich Diedol). ;-)

  • Was das Wetter hier angeht, ich kann es nicht glauben, dass es schon Dezember ist! Hier wechseln sich immer Kälte- und Wärmephasen ab. So vor zwei Wochen war der Winter ausgebrochen und es war wirklich ziemlich kalt. Am ersten Tag dieser Kältephase saßen wir alle mit unseren dicken Jacken in der Schule, denn die Heizungen funktionierten natürlich nicht. Letztes Jahr haben sie angeblich das ganze Jahr nicht funktioniert, was mich erst mal leicht geschockt hat. Aber am nächsten Tag kamen doch tatsächlich zwei Männer, die unsere beiden Heizungen repariert haben. Ja, genau, es wurde etwas REPARIERT!! Und damit war es nicht genug, man teilte uns auch mit, dass in den folgenden Tagen unsere Tür repariert würde, woraufhin die ganze Klasse und besonders unser Englischlehrer in Lachen ausbrach, weil Imma mit jämmerlicher Stimme „Kriegen wir dann auch eine Türe wie alle anderen?“ fragte. Die Handwerker erschienen nie. Wir müssen immer noch mit offener Türe leben und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern. Aber zurück zu den „Heizungen“. Vielleicht wäre es besser gewesen, man hätte sie nicht repariert, denn das sind wirklich schreckliche Teile. Das Heizen besteht darin, warme Luft in den Raum zu blasen, so dass man alle leichten Sachen befestigen muss, sonst werden sie davon geweht. Wenn man im Umkreis von einem Meter am Heizkörper steht, bläst es einem die Haare in alle Richtungen davon. Außerdem machen diese Monster einen Lärm, das ist unglaublich! Es wird zwar tatsächlich warm im Raum, aber nach spätetstes einer halben Stunde kriegt man auf Grund des Sauerstoffmangels und des Geräuschpegels Kopfschmerzen. Gott sei Dank ging diese Kältephase aber recht schnell wieder vorbei, und jetzt sind wir wieder bei 18-19°C am Nachmittag angelangt. Es ist schon ein recht seltsames Gefühl bei Weihnachtsbeleuchtung zwar mit Pullover, aber ohne Jacke draußen herumzulaufen. Der Rest Italiens versinkt allerdings im Schneechaos, jeden Tag werden in den Nachrichten stundenlang Bilder von eingeschneiten Straßen gezeigt, denn der Schnee ist sogar bis weit in den Süden vorgedrungen. Selbst in den Wohnorten von einigen aus meiner Klasse, die etwas im Hinterland wohnen, hat es schon ein bisschen geschneit. Hier schneit es allerdings fast nie, das letzte Mal ist ca.5 Jahre her und dass mal so richtig Schnee liegen geblieben ist, ist genau 11 Jahre her.
    So, jetzt will ich mal mit einigen Klischees aufräumen, was Italien allgemein oder zumindest Süditalien betrifft.
    - Süditaliener sind sehr katholisch: Ich hab seit meiner Ankunft noch keine Kirche von innen gesehen. Genau wie in Deutschland gehen hauptsächlich ältere Damen in die Kirche. Es gibt hier im Ort zwar vier Kirchen, aber ich frage mich wirklich, wie voll die sind. Der Religionsunterricht wird ja auch nicht wirklich ernst genommen, genau genommen existiert er überhaupt nicht, denn unser Lehrer, Don Antonio, beschäftigt sich nur damit, den Mädchen Komplimente zu machen oder darüber zureden, wer mit wem zusammen ist.
    Wenn ich allerdings gefragt werde, welcher Religion ich angehöre, und antworte, ich sei katholisch, ernte ich immer ein Lächeln und ein anerkennendes Nicken. Viele glauben nämlich, in Deutschland seinen alle Protestanten und der Protestantismus ist hier für alle eine etwas seltsame Sache. Ich wurde schon gefragt, ob die Protestanten auch Weihnachten haben, auch an Jesus glauben und auch Geburtstag feiern.

  • Ciao!


    Nach einem Monat melde ich mich mal wieder mit meiner 5. Rundmail.
    Im Moment bin ich sehr beschäftigt mit den Weihnachtsvorbereitungen, die hier schon in vollem Gange sind. Ich muss dieses Jahr ja ziemlich viele Geschenke besorgen, für Deutschland und für Italien. Gott sei Dank hab ich für hier jetzt schon mal alle zusammen. Am 8. Dezember wird nämlich der Weihnachtsbaum aufgestellt. Da ist schulfrei und alle sind zu Hause um ihren Baum aufzustellen und zu schmücken. :-) Die Bäume sind natürlich unecht und alle waren ganz beeindruckt, dass wir einen ECHTEN Baum verwenden und sogar ECHTE Kerzen! Ab dem 8. Dezember werden dann nach und nach die Geschenke drunter gelegt, aber erst am Heiligabend um Mitternacht geöffnet. Dem Advent wird hier eigentlich keinerlei Bedeutung beigemessen, man hat noch nie was von Adventssonntagen, Nikolaus oder Kerzen anzünden gehört und mir ist dieses Jahr erst am Mittwoch aufgefallen, dass ja schon der 1. Advent ist. Die ganze Adventsstimmung fehlt mir etwas, aber Gott sei Dank hab ich aus Deutschland ja Lebkuchen, die meine Gastfamilie übrigens auch toll findet, und Adventskalender sowohl für mich also auch für Emilia bekommen und wir öffnen jeden Morgen fleißig die Türchen. :-)
    Die Schule ist im Moment ziemlich anstrengend, alle Lehrer fragen ab und schreiben Tests und ich brauch für alles immer noch fast doppelt so lang. So viel hab ich noch nie in meinem Leben für die Schule gearbeitet! Aber dafür komm ich auch überall ganz gut zurecht und hab zu meiner Freude ziemlich gute Noten. Heute haben wir einen Englischtest geschrieben, in dem wir ein Sonnett analysieren mussten. Das hat gestern unseren ganzen Tag beherrscht, es hat um ca. 5 Uhr Abends nämlich Imma angerufen, dass jemand aus der Klasse herausgefunden hat, welches Sonnett drankommt (die Lehrer schreiben hier in den verschiedenen Klassen immer die gleichen Tests und eine andere quarta hatte ihn schon vor uns). Sie sagte uns den Titel und den Autor, nämlich Spenser. Seltsamerweise befand sich ein Sonnett mit dem gleichen Titel in unserem Buch, allerdings nicht von Spenser, sondern von Shakespeare. Ich suchte also im Internet nach besagtem Sonnett, blieb allerdings erfolglos, währenddessen telefonierte Emilia mit ihrer Cousine, die den Test schon geschrieben hatte und die erzählte ihr den Inhalt und die Fragen mit den groben Antworten. Außerdem wusste sie, dass sich der Text in einem Buch befindet, dass eine andere quarta benutzt. Da meine Gastmutter Gott und die Welt kennt, fielen ihr gleich zwei Freundinnen ein, deren Söhne in diese Klasse gehen. Sie rief also bei einer an und fragte, ob wir das Buch ausleihen könnten. Daraufhin fuhren wir zu dieser Freundin und während Cherubina mit ihr redete (mindestens eine halbe Stunde), mussten Emilia und ich feststellen, dass es das gleiche Sonnett von Shakespeare war, das sich auch in unserem Buch befindet. Zum Schluss ließen wir uns aber überreden, dass Buch doch einfach mal mitzunehmen. Zu Hause angekommen, klemmte ich mich wieder vors Internet und suchte und suchte. Nach einiger Zeit riefen mich Emilia und Cherubina, beide in heller Aufregung, sie hätten das Sonnett gefunden, nämlich in dem geliehenen Buch. Es hieß nämlich gar nicht so wie das von Shakespeare, sondern hatte einen völlig anderen Titel, sie erkannten es am Inhalt, den Emilias Cousine ja erzählt hatte. ;-) Erst mal wurden sämtliche Freundinnen angerufen und die freudige Nachricht verbreitet, dann lasen wir uns die Fragen durch. Da wir einige nicht beantoworten konnten, rief Cherubina ihre beste Freundin an, die Englischlehrerin an unserer Schule ist und Emilia vor Test in allen Fächern öfter mal ein bisschen Nachhilfe gibt. Von der ließ sich Emilia alle Fragen beantworten und formulierte die Antworten hinterher sogar auf einem Zettel aus. Heute waren es dann tatsächlich genau die Fragen, der Lehrer hatte nämlich einfach die Seite aus dem Buch rauskopiert. ;-) Jaja, so läuft das hier eben ab, wird mir dann immer grinsend erklärt.

  • man das klingt riiiichtig gut!
    ich bin total froh, dass es dir so gut geht und dass du langsam so richtig im alltagsleben drin bist....
    ich wusste das zwar, dass die italienerinnen sehr viel wert auf äußeres legen aber es hört sich doch nochma heftiger an, wenn du das so erzählst....da muss ich ja angst haben ich find mich nämlich net so hübsch (ich mein wer findet sich selber hübsch aber egal ) und ich will zu dem titel "die austauschschülerin" oder "die deutsche" nicht auch noch die "hässliche deutsch/ats" haben

  • Lustige Erlebnisse:
    - Ein höchst interessantes Erlebnis war Assemblea. Das ist eine Versammlung
    im Auditorium (so ähnlich wie bei uns das Grüne Loch), die vor zwei Wochen
    hier stattgefunden hat. Dabei stellen sich alle Kandidaten für die
    Schülervertreterwahl vor. Es gab drei Listen mit jeweils vier Personen und
    zuerst haben sich mal alle vorgestellt und gesagt, was sie verbessern wollen
    usw. Danach können dann alle Schüler nach vorne kommen und Fragen stellen.
    Dieses Recht wurde auch ausgiebig genutzt und es hat sich eine immer
    hitzigere Diskussion entwickelt, bei der die Italiener alle ihre
    rhetorischen Fähigkeiten ausgelebt haben. Wer mal das Mikrofon an sich
    gerissen hatte, hat schreiend und wild gestikulierend seine Thesen
    vertreten, während seine Anhänger regelmäßig aufgesprungen sind und unter
    lautem Beifall „Bravoooo!“ gegrölt haben. Wer damit nicht einverstanden war,
    sprintete nach vorne, riss dem anderen das Mikro aus der Hand und verkündete
    empört und lautstark seine eingene Sichtweise der Dinge. So ging das zwei
    Stunden lang, ich habe mich gut amüsiert, war aber hinterher fix und fertig.
    Vor allem, weil wir auch noch bei der zweiten Assemblea für die jüngeren
    Schüler dabei waren, denn zwei aus unserer Klasse, Fabrizia und Filomena,
    waren Kandidatinnen. Zwei Wochen später war dann die Wahl, an der alle
    Schüler teilgenommen haben. Am Tag danach war unsere Klasse ganz aus dem
    Häuschen, da Fabrizia mit der Hälfte aller Stimmen (unter 12 Kandidaten!)
    zur Schülervertreterin gewählt worden war (sie war auch eindeutig die beste,
    hat bei der assemblea die Hälfte der Zeit geredet, während die anderen
    teilweise kaum ihren Mund aufgemacht haben und ist die perfekte Person für
    diesen Posten). Sie wurden von allen stürmisch umarmt und geküsst, hielt
    eine Dankesrede und dann aßen wir Kuchen und Süßigkeiten, die Rosa und
    Marika mitgebracht hatten und feierten. Außerdem taten alle ihre Empörung
    kund, dass Filo wegen der Regelung, dass nicht alle vier von einer Liste
    gewählt werden können, es nicht geschafft hatte, obwohl sie insgesamt mehr
    Stimmen hatte als der vierte Schülervertreter. Das war jedenfalls ein sehr
    lustiger Tag. :-)
    - Emilia und ich sehen uns angeblich sehr ähnlich. Wir wurden schon für
    Cousinen, Schwestern und sogar Zwillinge gehalten. ;-) Wir müssen jedes Mal
    heftig versichern, das wir das wirklich nicht sind.
    - Die Tests in der Schule sehen hier so aus: Zuerst (nachdem ganze Romane
    auf den Tisch geschrieben wurden und der gigantische Spickzettel im Mäppchen
    oder unter dem Schal, der auf dem Tisch liegt, versteckt wurde) fangen mal
    alle zu arbeiten an. Nach einer Zeit kommen pausenlos Schülerinnen zum
    Lehrer oder zur Lehrerin nach vorne und stellen Fragen oder lassen sich
    versichern, ob das so richtig ist, wie sie es gemacht haben oder um über
    eine bestimmte Aufgabe zu diskutieren. Währenddessen informiert sich jeder
    mal, was die Nachbarin so geschrieben hat. So etwa nach der Hälfte der Zeit
    lässt sich die Lehrerin durch das Gejammere über eine bestimmte Aufgabe
    erweichen und verrät den Lösungsweg. Gegen Ende der Stunde kann sie gegen
    den Lärm dann nicht mehr ankommen, da alle sich gegenseitig ihre Lösungen
    vorlesen oder über einen Lösungsweg auch mal über zwei oder drei Tische
    hinweg diskutieren. Die anderen haben das Buch oder das Heft aus der Tasche
    rausgeholt und blättern darin herum. Das ist wirklich KEINE Übertreibung!!
    Der Lärmpegel ist dann für gewöhnlich größer als während des normalen
    Unterrichts in Deutschland. Ich frage mich wirklich, warum hier nicht alle
    immer super Noten haben…
    - Ich werde hier dauernd gefragt, ob ich nicht das deutsche Kraut (Krauti)
    vermisse. Wenn ich dann sage, dass wir das zu Hause nie essen und ich das
    auch gar nicht so gerne mag, sind alle entsetzt und schauen mich ungläubig
    an. Die glauben wirklich, dass wir in Deutschland fast jeden Tag Würstel con
    Krauti essen!!!
    - A propos Essen: Cherubina ist grade mal wieder im Stress, den Nico hat
    alle seine Essensvorräte aufgebraucht. Also macht sie seit vier Tagen nichts
    anderes als Kochen und Sachen einpacken. Da Nico aber in der nächsten Zeit
    nicht kommt, sondern erst an Weihnachten, kann es die Sachen nicht
    mitnehmen. Also werden sie in dem Bus, der über Nacht von hier nach Bologna
    fährt, verstaut und der nimmt sie gegen Bezahlung mit. Nico holt sie dann
    dort ab. :-)